Trinkwasserhygiene

Quo vadis Trinkwassererwärmung?

Mittwoch, 20.09.2023

Dass hiervon in der Praxis reale Gesundheitsrisiken ausgehen können, bestätigt eine Untersuchung von Probenahmen in einer Apartmentanlage mit 84 Wohneinheiten, durchgeführt vom Medizinaluntersuchungsamt und Hygiene am Universitätsklinikum Kiel. Die Ergebnisse sind alarmierend: In jedem Apartment versorgen Durchlauferhitzer die Bewohner mit Trinkwasser warm. Die 3-Liter-Regel zur Bemessung des längsten, zulässigen Leitungswegs vom Trinkwasser­erwärmer bis zur Entnahmestelle gemäß DIN 1988-200 und DVGW-Arbeitsblatt W 551 wurde eingehalten. Dennoch zeigten Probenahmen aus Kalt- und Warmwasser eine hohe Kontamination. Die Untersuchungen auf Legionellen ergaben in 54 Prozent der Wohnungen Konzentrationen oberhalb des technischen Maßnahmenwertes, in 12 Prozent der Wohnungen sogar oberhalb des Gefahrenwertes von 10.000 KBE/100 ml – unabhängig davon, ob die Apartments leer standen oder bewohnt waren. Selbst bei Temperatureinstellungen am Durchlauferhitzer von über 50 °C wurden teilweise hohe Belastungen mit Legionellen festgestellt – trotz regelmäßiger Nutzung der Entnahmestellen [2].

Eine hygienische Sicherheit ist auch durch die 3-Liter-Regel-Einschränkung nicht zwangsläufig gegeben, denn bei Untersuchungen im Forschungsprojekt „EnEff: Wärme – Verbundvorhaben Energieeffizienz und Hygiene in der Trinkwasser-Installation (2018)“ wurde Folgendes festgestellt: „Die unterschiedlichen Volumina der Stränge von ca. 0,5 bzw. 3 Liter zeigen sich als ein untergeordneter Faktor bei der Besiedlung endständiger Bereiche mit Legionella spp“. Somit kann diese 3-Liter-Regel nicht per se als hygienesichernde Maßnahme angesehen werden.

Das Bild zeigt einen dezentralen PWH-Erwärmer.
Quelle: Viega
Abbildung 4: Dezentrale PWH-Erwärmer sind kein genereller Schutz vor hygienekritischer Belastung von Trinkwasserinstallationen durch Legionellen und entziehen sich auch nicht automatisch der Beprobungspflicht, die sich auch aus der Arbeitsstättenverordnung und der Verkehrssicherungspflicht ableitet.

Angepasste Beprobungspraxis

Die möglichen Hygienerisiken bei dezentraler Trinkwassererwärmung hat das Umweltbundesamt veranlasst, hierzu eine Mitteilung für die Beprobungspraxis herauszugeben: „Bislang werden dezentrale Trinkwassererwärmer als sicher im Hinblick auf eine Legionellenkontamination angesehen. Neuere Erkenntnisse zeigen jedoch, dass es auch in dezentralen Trinkwassererwärmern und in den dahinterliegenden Leitungen zu einer Legionellenvermehrung kommen kann. Bei der Abklärung von Legionelleninfektionen sind auch dezentrale Trinkwassererwärmer in die Ursachensuche einzubeziehen“ [3] (Abb. 4).

In Verbindung mit der anstehenden Novellierung der Trinkwasserverordnung wird ebenfalls über Anpassungen der Beprobungspraxis diskutiert. Es bleibt abzuwarten, welche eventuellen Änderungen dazu noch beschlossen werden, wenn die Einsprüche gegen den Referentenentwurf abgearbeitet sind. Doch unabhängig davon besteht das Faktum, dass eine unzureichende Temperaturhaltung sowohl bei Trinkwasser warm als auch bei Trinkwasser kalt (PWC) einerseits durch hohe Wärmelasten in modernen Gebäuden und andererseits durch Bemühungen, eine höhere Energieeffizienz zu erreichen, bei der Trinkwassererwärmung ein zunehmendes Problem darstellt.

Das Bild zeigt eine Zirkulationsleitung.
Quelle: Viega
Abbildung 5: Wärmeverluste in Zirkulationsleitungen lassen sich durch die Installation von Inlinern weiter reduzieren. Hier verläuft die Zirkulation innerhalb der Rohrleitung des Steigestrangs für Trinkwasser warm.

Möglichkeiten der Energieeinsparung

Der Energieeinsatz für den Temperaturerhalt in Zirkulationssystemen mit zentraler Trinkwassererwärmung ist somit aufgrund der Trinkwassergüte erforderlich, um die Hygiene nicht zu gefährden. PWH ohne geeignete Kompensationsmaßnahmen dauerhaft unterhalb der 55 °C-Grenze zu belassen, ist allerdings kein geeignetes Mittel, um Energie zu sparen. Allerdings gibt es zulässige und wirksame Maßnahmen, Wärmeverluste in Zirkulationssystemen massiv zu reduzieren und so ohne Kompromisse bei der Trinkwassergüte Energie zu sparen. Neben der vorgeschriebenen Rohrdämmung zählen dazu beispielsweise Inliner-Systeme. Dabei wird die Zirkulationsleitung (PWH-C) im Rohr des Steigestrangs für Trinkwasser warm installiert und so die Rohroberfläche, über die Wärme entweichen kann, praktisch halbiert (Abb. 5).

Zunehmende Bedeutung für die energetische Bewertung eines Gebäudes hat zweifellos die Nutzung regenerativer Energiequellen. Wird beispielsweise der Energiebedarf für Raumwärme und Warmwasser zu mehr als 65 Prozent über erneuerbare Energien gedeckt, sind deutlich höhere Förderungen möglich. So sieht es die neue Bundesförderung für effiziente Gebäude für Wohngebäude und Nichtwohngebäude vor (BEG WG und BEG NWG). Gerade Umweltwärme lässt sich für die zentrale Trinkwassererwärmung recht einfach nutzen. Beispielsweise indem eine Wärmepumpe und/oder eine Solarthermieanlage die erneuerbare Energie in einem Multifunktionsspeicher puffert, der über entsprechende Wärmetauscher dann zur Trinkwassererwärmung und für Raumwärme dient (Abb. 6).

Von Christian Schauer
Leiter des Kompetenzzentrums Trinkwasser bei Viega

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