In der folgenden langwierigen Diskussion der Normenkommission SIA 385 mit den verschiedenen Stakeholdern wurde schließlich, unter Berücksichtigung neuer Forschungsergebnisse, festgehalten, dass sich Legionellen über 50 °C nicht vermehren können. Darauf basierend wurde ein komplexes Regelwerk erarbeitet, welches unter gewissen Bedingungen (u.a. optimal konzipierte neue Anlage) den Betrieb einer warmgehaltenen Verteilung bei >52 °C erlaubt. Die Anlagen-Auslegung muss aber nach wie vor 55 °C erreichbar machen. Die Speicher-Austrittstemperatur ohne warmgehaltene Verteilung soll mindestens 55 °C betragen, mit warmgehaltener Verteilung muss sie so ausgelegt werden, dass die vorgegebene Temperatur in der Verteilung eingehalten wird (was unter Umständen >60 °C Speicheraustritt ergibt). Vertreter der Wärmepumpen- und Solarbranche wie auch das Bundesamt für Energie engagierten sich für möglichst tiefe Temperaturen. Die so überarbeitete Norm ging im Juni 2019 in eine erneute Vernehmlassung (nach ergebnisloser Vernehmlassung und Einspracheverfahren 2014). Zur neuen Vernehmlassung sind nun wieder sehr viele Eingaben gemacht worden, es gibt wiederum entgegengesetzte Meinungen und Vorschläge, die wir in der Kommission diskutieren müssen; danach folgt das vorgeschriebene Einspracheverfahren. Deshalb wird sich die Publikation weiter verzögern und bestenfalls im Spätfrühjahr 2020 erfolgen. Daher ist offiziell nach wie vor die SIA 385/1:2011 gültig, auch wenn wir seit längerem in Vorträgen präsentieren, wie die Änderungen sein könnten.“
Warum 3 K weniger Systemtemperatur selbst unter optimalen Betriebsbedingungen gar nicht gehen, verargumentieren die Verbandswasserkundler aus der Schweiz zunächst mit Hinweis auf ihre generelle Expertise: „Der Schweizerische Verein des Gas- und Wasserfachs SVGW verfolgt als Fachverband der Trinkwasserversorgungen das Ziel, die Konsumenten mit hygienisch einwandfreiem Trink- und Warmwasser, in ausreichender Menge und unter technisch und wirtschaftlich optimalen Bedingungen zu versorgen…
Die SVGW-Richtlinie W3 «Richtlinien für Hausinstallationen» bildet die Grundlage für eine einwandfreie Planung und Ausführung von Gebäude-Trinkwasserinstallationen kalt und warm und gilt für den Bereich Trinkwasser als wichtigstes Lehrmittel…“. Dann bezieht sich der SVGW maßgeblich auf die Empfehlungen des schweizerischen Bundesamtes für Gesundheit (BAG) und des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) zu „Legionellen und Legionellose“: „In den BAG/BLV-Empfehlungen … wird der Temperaturbereich von 45 bis 55 °C als lebensfähiger, aber nicht als vermehrungsfähiger Bereich für Legionellen angegeben. … An dieser Stelle (Anm. d. Red.: unter optimalen Betriebsbedingungen bei 52 °C einregulieren) ist zu berücksichtigen, dass auf dem Markt erhältliche Thermometer und Temperaturfühler Messungenauigkeiten von bis zu 2 K aufweisen. Wenn die warmgehaltenen Leitungen bei 52 °C einreguliert werden, könnte die reale Temperatur auch bei 50 °C liegen. D.h., die Anlage wird von Beginn an in einem Bereich betrieben, wo die Legionellen immer noch lebensfähig und virulent sind. Diese Vorgehensweise widerspricht einem vorbeugenden Schutz nach dem gesetzlichen Vorsorgeprinzip.“
Auffällige Beprobungsergebnisse
Welche Risiken dann drohen, hätten Messungen im eigenen Land aus den vergangenen Monaten gezeigt, nämlich „dass in Warm- aber auch Kaltwasserinstallationen vielerorts der gesetzliche Höchstwert von 1.000 KBE/l Legionella spp. überschritten wird. Dabei handelt es sich meistens um Wasserversorgungsanlagen, die mit Speichertemperaturen unter 60 °C und warmgehaltenen Leitungen unter 55 °C betrieben werden. Hingegen zeigen Wasserversorgungsanlagen, die mit einer Speicheraustrittstemperatur von 60 °C und in allen warmgehaltenen Leitungen von 55 °C betrieben werden, in der Regel keine Legionellen-Höchstwertüberschreitungen.“