Für jedes Land muss ein Hersteller eines Bauprodukts für Trinkwasser nach wie vor eine separate Zertifizierung beantragen und dafür häufig aufwendige Prüfungen gemäß den lokal geltenden Regularien durchführen lassen.
Was macht nun ein Hersteller wie Viega, der eine Produktinnovation wie „Raxinox“ möglichst zügig nach Erreichen der Serienreife vermarkten will? Zunächst wird er versuchen, auf Basis bestehender Regelwerke eine nationale Zertifizierung zu erreichen.
Im vorliegenden Fall war dies jedoch nicht möglich, weil bislang tatsächlich noch keine Prüfnorm für ein Edelstahlverbundrohr-System existierte und die Erarbeitung einer neuen Prüfgrundlage aufgrund neuer DIN/DVGW-Regularien zu langwierig schien. Gewählt wurde deshalb ein neuer Zertifizierungsweg (Bild 3), welcher für die mechanischen Anforderungen eine europäische Prüfgrundlage (EAD[3]) sowie nationale Eignungsnachweise für die Werkstoffe im Kontakt mit Trinkwasser inkl. Fremdüberwachung des Herstellers zusammenfasst.
Ein Weg, der im Rückblick betrachtet für „Raxinox“ weitaus aufwendiger als erwartet verlief. Beispiel Trinkwassereignung: Obwohl bei Rohren und Formteilen nur Edelstahl das Trinkwasser berührt, ließ es die gültige Bauproduktenverordnung noch nicht zu, auch die hygienischen Anforderungen einheitlich für Europa zu regeln. So erfolgten nur die mechanischen Baumusterprüfungen nach dem EAD 290001-00-0701 durch das MPA NRW[4], während die hygienischen Eignungsnachweise für Deutschland durch die DVGW Cert GmbH geprüft und bestätigt wurden. Der Zertifizierungsprozess gemäß Bild 3 dauerte schließlich 24 Monate – insbesondere aufgrund der bürokratischen Hürden, die die Abstimmung zwischen dem DIBt[5] und der Europäischen Kommission immer wieder verzögerten. Schließlich waren die Bemühungen aber doch erfolgreich, wie das Textbeispiel in Bild 6 zeigt: mit DVGW-Registriernummer plus zugehöriger CE-Leistungserklärung.
Konsequenzen für den Fachplaner
Mit der kombinierten Zertifizierung kann das innovative Rohrleitungssystem wie gewohnt in die Ausschreibungen übernommen und nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik in Trinkwasser-Installationen verwendet werden. Die Dokumentation ist mit dem entsprechenden Zertifikat über die DVGW-Reg.-Nr. sowie die dazu gehörige CE-Leistungserklärung des Herstellers downloadbar. Letztere war seitens Viega bislang nur für Bauprodukte erforderlich, die entsprechend einer harmonisierten europäischen Prüfnorm (z.B. EN 14055 für Spülkästen) gefertigt werden.
Eine herstellerneutrale Ausschreibung nach STLB ist derzeit allerdings noch nicht möglich, da als Voraussetzung dafür mindestens zwei vergleichbare Fabrikate am Markt verfügbar sein müssen – was dem Wesen einer echten Produktinnovation natürlich widerspricht. In der Regel ist es bis dahin aber möglich, nach Abstimmung des Fachplaners mit dem Bauherrn einen Freitext in Anlehnung an übliche STLB-Standards zu formulieren. Wichtig für das Fachhandwerk: bereits 2015 wurde das „Raxinox“-System in die Haftungsübernahmevereinbarung des ZVSHK[6] aufgenommen.
Fazit
Wer neue Wege - auch in Richtung Europa - einschlägt, muss sich auf Überraschungen einstellen. Das gilt auch für die Zertifizierung von Bauprodukten für Trinkwasser. Für das Viega „Raxinox“-System wurde dafür ein neuer Prozess, bestehend aus DVGW- und CE-Regularien gewählt, ohne das gewohnte Qualitätsniveau hinsichtlich der Langzeitsicherheit und Trinkwassertauglichkeit einzuschränken. Dafür wurden die Anforderungen für die mechanischen Prüfungen einheitlich für Europa definiert und darauf aufbauend die national gültigen Eignungsnachweise der Werkstoffe im Kontakt mit Trinkwasser inkl. der Fremdüberwachung des Herstellers durch die DVGW Cert GmbH zusammenführt. Fachplaner wie auch Installateure können damit auch bei der Produktinnovation „Raxinox“ auf das gewohnte Qualitäts- und Zertifizierungsniveau von Viega vertrauen und das System entsprechend ausschreiben bzw. installieren.