Gründer-Boom - und niedrige Überlebensrate

14 Jahre „Meisterfreies“ Handwerk (I)

Dienstag, 17.04.2018

Vor 14 Jahren wurde sie abgeschafft: die Meisterpflicht für 52 Handwerke. Die Folgen waren ein Gründungsboom bei den „meisterfreien“ Gewerken, aber auch rückläufige Erträge in genau diesen Branchen. Außerdem ist die „Überlebensrate“ drastisch gesunken. Jeder zweite „stirbt“ innerhalb von fünf Jahren.

Eine Reform wird „jugendlich“: Vor vierzehn Jahren novellierte der Gesetzgeber die Handwerksordnung (HwO). Damit ist sie jetzt „strafmündig“ und für ihr Tun und Wirken teilweise selbst verantwortlich. Zeit also, sich das Treiben der "Vierzehnjährigen" mal genauer anzusehen.

Unbestritten markiert die Reform einen erheblichen Einschnitt in Entwicklung und Struktur der Handwerkswirtschaft, insbesondere durch den Wegfall der Meisterpflicht – die Zulassungsfreiheit - in 52 Handwerkszweigen.

Erste gravierende Folge war ein regelrechter Gründungs-Boom in den neu geschaffenen B1-Handwerken. Bis 2016 erhöhte sich deren Anzahl um 750 Prozent (nach Angaben der Handwerkskammerverzeichnisse). Das ist allerdings nicht nur mit der „Meisterfreiheit“ zu begründen. In dem Jahrzehnt wurden Existenzgründer generell stark gefördert. Eine große Rolle spielte sicher auch die Erweiterung der EU nach Mittel- und Osteuropa und die damit verbundene Niederlassungsfreiheit: In den B1-Handwerken kommt, oder kam, fast jeder vierte Gründer aus einem dieser neuen Mitgliedsstaaten.

Mehr Prestige als Maßschneider…

Zudem hat die HwO-Reform zu einer Verlagerung der Existenzgründungen geführt: Statt sich in einem meisterpflichtigen A- oder zulassungsfreien B2-Handwerk eintragen zu lassen, wählten viele Gründer lieber ein B1-Handwerk. Offensichtlich wegen des besseren Prestiges: Der Maßschneider (B1) macht wohl mehr her als der Änderungsschneider (B2)… Auch das relativiert den B1-Gründer-Boom doch beträchtlich. War dieser Boom nur ein Strohfeuer? Um das zu beurteilen, hilft ein Blick auf die Überlebensrate der Start-ups: Wie viele der mutigen Gründer sind nach fünf Jahren noch am Markt? Vor der Reform lagen dabei A- und B1-Handwerke gleich auf – rund 70 Prozent der Unternehmer „überlebten“ die ersten fünf Jahre. Seit der Reform ist die „Sterberate“ der neuen B1-Handwerker drastisch gestiegen - auf über 50 Prozent! (siehe Grafik). Sie liegt jetzt gleichauf mit den B2-Gewerken, die schon vor der Reform eine recht niedrige Überlebensrate hatten.

Überlebensrate neu gegründeter Handwerksbetriebe nach fünf Jahren.
Quelle: ifh Göttingen
Überlebensrate neu gegründeter Handwerksbetriebe nach fünf Jahren.

Sinkende Erträge durch HwO-Reform?

Die HwO-Reform scheint sich auch auf die Unternehmensgröße der handwerklichen Betriebe auszuwirken: die nimmt seitdem in den zulassungspflichtigen Gewerken zu und in den zulassungsfreien ab. Die „meisterlose Freiheit“ begünstigt direkt das Entstehen von Kleinstunternehmen. In den B1-Handwerken ist die Zahl der Soloselbstständigen deutlich gestiegen. Sie übertrifft mittlerweile sogar den Wert für die gesamte Wirtschaft.

Insgesamt scheint der Gewerbeertrag aller Handwerksunternehmen durch die Reform gefallen zu sein. Das legt eine Untersuchung der Handwerkskammer Hamburg nahe. Ausgewertet wurde dabei die Anzahl der Betriebe, deren Gewerbeertrag unter dem gewerbesteuerlichen Freibetrag von 24.500 Euro pro Jahr liegt. Bei den vor der Reform gegründeten Unternehmen liegt der Ertrag bei den A- und den später zulassungsfrei gestellten B1-Handwerken etwa auf gleicher Höhe (siehe Grafik). Seitdem sind die Erträge beider Sparten gesunken. Insgesamt erwirtschaften 55 Prozent der A-Gewerke und drei Viertel der B1- und B2-Gewerke Erträge bis unter 24.500 Euro.

Anteil der Betriebe (in Prozent) mit einem Gewerbeertrag bis unter 24.500 Euro nach verschiedenen Gründungsjahren im Bereich der Handwerkskammer Hamburg.
Quelle: ifh Göttingen
Anteil der Betriebe (in Prozent) mit einem Gewerbeertrag bis unter 24.500 Euro nach verschiedenen Gründungsjahren im Bereich der Handwerkskammer Hamburg.

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