Kalkschutz mit neuer TrinkwV

Gezielter, präventiver und sicherer

Kalkschutzmaßnahmen in der Trinkwasserinstallation sind mit Sorgfalt auszuwählen, gerade im Hinblick auf die Trinkwasserhygiene.

Die Sachverständigenpraxis zeigt: Oft führen mangelnde Kenntnis zum hygienisch einwandfreien Betrieb von Wasserbehandlungsanlagen zu vermeidbaren Risiken für Nutzer. Betreiber von Wasserversorgungsanlagen können sich viel Zeit, Aufwand und Kosten sparen, wenn bereits bei der Planung vom ausführenden Installationsbetrieb die richtigen Fragen gestellt werden. Als Leitfaden bietet die neue Trinkwasserverordnung (TrinkwV) neben dem DVGW Arbeitsblatt 551 und der VDI Richtlinie 6023 hier eine aussagekräftige Orientierungshilfe.

Deutlich präziser als in der Vorgängerversion werden jetzt verpflichtende Regelungen vom Rohwasser bis zur Entnahmestelle definiert, auch den Gesundheitsschutz der Verbraucher nimmt die neue TrinkwV 2023 mehr in den Blick. Betreiber von Wasserversorgungsanlagen, die Kalkschutztechnik installieren, unterliegen bei manchen Verfahren noch restriktiveren Bestimmungen im Bereich Informationspflichten und hygienische Anforderungen an Materialien und Werkstoffe als bisher. Grund genug also, die gängigsten Verfahren am Markt hinsichtlich Wirksamkeit, Anwendungsbereiche und Risiken kritisch auf die Probe zu stellen.

Ionentauscher und chemiefreie Kalkschutzverfahren wie Impfkristallbildung (zum Beispiel Biomineralisierung oder elektronisch-physikalische Prinzipien) bieten bewährte Techniklösungen und zertifizierte Kalkschutzwirksamkeit für Trinkwasserinstallationen, je nach Einsatzzweck jedoch spezifische Vor- und Nachteile. Vor der Entscheidung für ein wirksames Kalkschutzverfahren (DVGW W510 und W512 als Prüfgrundlage zur Verminderung von Steinbildung) sollte deshalb immer zunächst geklärt werden, ob die Notwendigkeit technisch ausreichend begründet ist. Die DIN 1988-200 ist für Fachplaner und Installateure die erste zen­trale Planungs- und Entscheidungsgrundlage.

Unter Punkt 12.1 gibt die Richtlinie vor, dass eine Behandlung von Trinkwasser aus der öffentlichen Wasserversorgung mit Ausnahme mechanischer Filter am Hausanschluss zum Schutz vor Partikeln nur in begründeten Fällen erfolgen darf. Enthärten als Präventivmaßnahme ist selten ratsam, da immer das Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht verändert wird. Die Korrosivität des Wassers kann sich dabei erhöhen, wenn die Mineralien im Wasser nicht mehr ausreichen, um die Kohlensäure zu binden.

§ 8 (3) TrinkwV 2023 besagt, dass Trinkwasser nicht korrosiv wirken darf. Kommen dann etwa noch Dosiermittel zum Einsatz, um diesem chemischen Prozess entgegenzuwirken, kollidiert die Behandlung des Wassers schnell mit einem grundlegenden Schutzziel der TrinkwV 2023: Das sogenannte Minimierungsgebot § 7 (4) verpflichtet Betreiber, die Konzentration von chemischen Stoffen unter Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik (a.a.R.d.T.) so niedrig zu halten, wie dies mit vertretbarem Aufwand möglich ist. Ergo: Die Wasserbehandlung mit chemischen Stoffen sollte immer nur eine zeitlich begrenzte Übergangslösung sein, um das Risiko vor Verkeimung so niedrig wie möglich zu halten.

Bereits an dieser Stelle wird deutlich, was zu bedenken ist: Enthärten, Dosieren, Desinfizieren – was übliche Sanitärpraxis ist, wird jetzt schärfer reguliert. Neu und durchaus ambitioniert weist § 11 Betreiber von Wasserversorgungsanlagen an, betriebstechnische Änderungen dem Gesundheitsamt zu melden (Fristen beachten!). Weitaus umfangreicher beschreibt der neue Abschnitt 5 mit den §§ 18 bis 26 zugelassene Aufbereitungszwecke und -stoffe. Von Bedeutung ist hier § 20, weil sich dort der so wichtige Verweis auf die vom Umweltbundesamt (UBA) geführte „Liste der Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahren“ findet. Die UBA-Bewertungsgrundlagen sind gesetzlich verpflichtend. Und schlussendlich regeln § 25 die Dokumentationspflicht, § 26 die Aufzeichnungspflicht sowie § 45 die Informationspflicht der Betreiber gegenüber den Verbrauchern. Diese Paragraphen greifen sowohl bei Nutzung eines Ionentauschverfahrens als auch mit anschließender Zugabe von Dosiermitteln. Deshalb gilt: Welche Maßnahme sich tatsächlich ab welchem Härtegrad empfiehlt, sollte der DIN 1988-200 entnommen werden. Nicht nur aus Sicht der Verbraucher, auch aus Sicht des Sachverständigen, ist die Empfehlung hier eindeutig: Jeder Eingriff in die natürliche Zusammensetzung der Trinkwasserqualität des Wasserversorgers ist im Hinblick auf Trinkwassergüte und Trinkwasserqualität kritisch zu hinterfragen.

Legionella species: Ursachen, Maßnahmen, Grenzwerte

Legionella spec. sind ein Indikatorparameter, die ab dem technischen Maßnahmenwert 100 KBE/100 ml auf ein hygienisch-technisches Problem innerhalb der Trinkwasserinstallation schließen lassen. Legionellen vermehren sich rasch im Temperaturbereich 30 bis 50 °C, in ausgeprägten Biofilmen und stagnierendem Wasser. In den Kalkablagerungen finden Mikroorganismen ideale Lebensbedingungen: Diese können dann als Nährstoffgrundlage für Krankheitserreger (pathogene Keime) wie zum Beispiel Legionellen dienen. Deshalb ist Kalkschutz ein geeigneter Baustein zur Trinkwasserhygiene-Prophylaxe. Dabei macht es zunächst keinen Unterschied, für welches Verfahren sich ein Betreiber entscheidet, solange die verminderte Kalksteinbildung zuverlässig sichergestellt ist.

Was jedoch durchaus einen Unterschied macht, ist der spätere Betrieb und die mikrobiologischen Gefahren, die sich daraus ergeben. Jede Trinkwasserinstallation ist ein in sich geschlossenes System, das durch einen unsachgemäßen Eintrag von außen gesundheitsschädigend verunreinigt werden kann. Ausschließlich technisch fachkundiges beziehungsweise eingewiesenes Personal sollte deshalb mit dem Dosieren und Nachfüllen von Salz beauftragt sein. Führt man sich vor Augen, dass die TrinkwV ihren Ursprung im Infektionsschutzgesetz (IfsG) hat, und sich in der neuen Fassung deutlich mehr Querverweise auf das IfsG finden, erklärt sich auch, weshalb der Verbraucherschutz jetzt an vielen Stellen deutlich verbessert worden ist. Für Sanitärbetriebe ergeben sich daraus etliche Neuerungen bei Kontrolle der Wasserqualität und Wartung von Wasserbehandlungsanlagen. So muss zukünftig nicht erst dann eine Meldung an das Gesundheitsamt erfolgen, wenn der technische Maßnahmenwert, also der Grenzwert für Legionellen in der Trinkwasserinstallation überschritten wird - bereits das Erreichen des Maßnahmenwertes von 100 KBE/100 ml gilt fortan als meldepflichtig; mit den bekannten Konsequenzen hinsichtlich zu ergreifender Maßnahmen und Pflichten.

Neu ist auch, dass das UBA eine Statistik für überhöhte Grenzwerte von Legionellen in Trinkwasserinstallationen führen wird. Deshalb ist der Präventivgedanke, dass ab 2029 jede häusliche Trinkwasserinstallation zur Risikobewertung durch eine Sanitärfachkraft inspiziert werden muss, aus Sachverständigenperspektive begrüßenswert; dies umso mehr, entscheidet sich ein Betreiber in einem Hartwassergebiet ergänzend für die Wasserbehandlung. In Kombination mit den vorgeschriebenen Kontrollen (Probenahmeplan) im laufenden Betrieb wird stärker als bisher Sorge dafür getragen, dass Trinkwassersysteme, auch in Ein- und Zweifamilienhäusern, nicht über einen langen Zeitraum unbeachtet bleiben.

Praxis-Check: Wirksamkeit und Anwendungsbereiche

Werden Trinkwasser-Sachverständige für eine Hygiene-Erstin­spektion oder Risikobewertung zu Rate gezogen, zeigt zum Beispiel das Gespräch mit Betreibern im Bereich Hotellerie oft, dass Wasserbehandlungsanlagen unter Annahme eines nicht zutreffenden Nutzens installiert wurden. Ein mutmaßlich geringerer Reinigungsaufwand stellt keine technische Notwendigkeit im Sinne der TrinkwV zum Enthärten dar. Sanitärfachbetrieben empfiehlt es sich daher, ihre Kunden hinsichtlich des Aufbereitungszwecks praxisorientiert zu beraten: Die Konditionierung des Trinkwassers auf VE-Qualität ist zweifelsohne für einzelne Bereiche wie zum Beispiel in der Gastronomie oder auch indus­triellen oder medizinischen Bereichen technisch begründet. Für alle anderen Anwendungsbereiche gilt: Weniger ist mehr. Je weniger die Mineralstoffzusammensetzung des Trinkwassers verändert wird, umso weniger Betreiberpflichten ergeben sich daraus, und umso weniger Hygienerisiken sind zu berücksichtigen.

Die erprobten und bewährten Kalkschutzverfahren unterscheiden sich im Wesentlichen in ihrem Wirkprinzip. Wird durch Ionentausch enthärtet, werden die Härtebildner Calcium und Magnesium beim Durchfließen des Ionentauscherharzes gegen Natrium ausgetauscht. Der Betrieb erfordert also die Zugabe von Salz (Natriumchlorid), das hygienisch unbedenklich gelagert, und kontinuierlich in den Prozess eingebracht werden muss. Feucht-warme Technikzentralen eignen sich nicht als Lagerraum. Ebenso ist darauf zu achten, dass Salzbehälter stets vollständig verschlossen werden müssen. Inspektionsintervalle nach der DIN EN 806-5 sind zwingend einzuhalten. Für die Trinkwasserhygiene ist darüber hinaus der Wechsel des Ionentauscherharzes nach etwa zehn Jahren erforderlich. Kurzum: Über diese Kenntnisse zum verantwortungsvollen Betrieb einer Enthärtungsanlage müssen Betreiber und Haustechniker eingehend in Kenntnis gesetzt werden.

Deutlich weniger Betriebsaufwand bieten chemiefreie Kalkschutzanlagen, die zwei entscheidende Vorteile haben: Erstens wird die Trinkwasserzusammensetzung nicht verändert, was für jeden Betreiber einer Trinkwasserinstallation erhebliche Vereinfachungen in den Bereichen Bürokratie, Dokumentationsaufwand und Meldepflichten mit sich bringt. Zweitens tritt die Kalkschutzwirksamkeit ohne Zugabe von Betriebsmitteln wie zum Beispiel Salz ein. Das Kosteneinsparpotential für ein Mehrfamilienhaus mit 68 Wohneinheiten und einem maximal täglichen Wasserverbrauch von 15.000 l ist enorm: Unter Annahme einer Standzeit von 15 Jahren müssen Ausgaben in Höhe von etwa 13.080 Euro mit einkalkuliert werden – allein für das Salz. Chemiefreie Kalkschutzanlagen, die in den Anschaffungskosten meist etwas höher liegen als Enthärtungsanlagen, amortisieren sich in der Regel innerhalb der ersten fünf Jahre Betriebslaufzeit. Impfkristallbildung (auch Kalkkristallbildung genannt) ist im Bereich chemiefreier Kalkschutz das am weitesten verbreitete Wirkprinzip. Je nach Hersteller haben Fachhandwerker die Wahl zwischen Verfahren, die sich das Prinzip der Biomineralisierung zunutze machen oder elektro-physikalisch eine Kalksteinbildung verhindern. Bei Verfahren wie zum Beispiel der Biomineralisierung (heterogene Katalyse) wird die Kalkschutzwirksamkeit ohne Zugabe von Salz oder Dosiermitteln erzielt, es erfolgt also zu keinem Zeitpunkt ein Eintrag von außen in das Trinkwassersystem. Risiken, die Trinkwasserhygiene zu gefährden, reduzieren sich dadurch bereits signifikant.

Fazit aus Sachverständigenperspektive

Sind Stabilisieren oder Enthärten technisch angebracht, sollten Planer und Installateure bei der Wahl eines geeigneten Kalkschutzverfahrens noch stärker als bisher auf nachgewiesene Wirksamkeit, Regelkonformität und Materialqualität achten. Denn: Die TrinkwV ist rechtsverbindlich. Die mikrobiologischen Anforderungen an das Trinkwasser nach § 6 TrinkwV 2023 nehmen den Gesundheitsschutz sehr ernst, daher sollten Kunden über Pflichten informiert werden, die sich aus dem Betrieb einer Wasserbehandlungsanlage zwingend ergeben. Des Weiteren sollte geprüft werden, ob die geplante Kalkschutztechnik gemäß § 17 (5) TrinkwV 2023 durch eine für den Trinkwasserbereich akkreditierte Zertifizierungsstelle (z.B. Baumusterprüfzertifikat der DVGW Cert GmbH) die Konformität nach § 17 (1) TrinkwV 2023 besitzt. Liegt kein entsprechendes Prüfsiegel vor, sollte unbedingt von einer Installation Abstand genommen werden.

Wichtig: Sowohl Planer als auch Installateure stehen in der Verantwortung, eine technisch einwandfreie, also den a.a.R.d.T. entsprechende Trinkwasserinstallation einschließlich für den Trinkwasserbereich zugelassener Geräte und Werkstoffe zu errichten. Die §§ 71 und 72 definieren den Tatbestand einer möglichen Straftat beziehungsweise einer Ordnungswidrigkeit für insgesamt 29 Vergehen gegen die Trinkwasserverordnung.

Mittwoch, 22.11.2023