TrinkwV 2017 spiegelt Wechselwirkungen wider

In wenigen Wochen wird die neue Trinkwasserverordnung (TrinkwV) 2017 veröffentlicht. Unabhängig vom noch laufenden Einwendungsverfahren sind dabei für die Praktiker – also Planer, Fachhandwerker und Betreiber von Trinkwasser-Anlagen – vor allem zwei Entwicklungen bemerkenswert: Die Wassergewinnung wird gewissermaßen als eigenständige Position in das Regelwerk einbezogen, und die Betreiberpflichten rücken stärker in den Vordergrund als bisher.

Die mittlerweile vierte Novellierung der TrinkwV folgt den Änderungen der EG-Trinkwasserrichtlinie [Richtlinie (EU) 2015/1535], die entsprechend in nationales Recht überführt werden muss. Hintergrund sind die neuen technischen und wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Einflussfaktoren auf den Erhalt der Trinkwassergüte – und davon hat es gerade in den vergangenen Monaten bekanntlich eine ganze Reihe gegeben. Exemplarisch seien nur die Diskussionen zu Ring­leitungsinstallationen in vermaschten Systemen oder zur hygienekritischen Erwärmung Kaltwasser führender Trinkwasser-Installationen (PWC) in Vorwandsystemen durch Zirkulationsleitungen warm (PWH-C) genannt.

Hygienerisiken in Hausinstallationen?

Als Lösungsansatz wird in diesem Kontext neben der installationstechnischen Optimierung (Stichwort: bedarfsgerechte Auslegung) immer wieder auf den notwendigen bestimmungsgemäßen Betrieb einer jeden Trinkwasser-Anlage verwiesen – und der liegt eindeutig in der Verantwortung des „Unternehmers und des sonstigen Inhabers“, wie es in der TrinkwV von Anfang an formuliert ist.

Und das ist aus gutem Grund so, sagt beispielsweise Dr. Ingrid Chorus vom Umweltbundesamt (UBA): „Vom Versor­ger bis zum Hausanschluss sind sowohl die Installationen im Allgemeinen wie die Trinkwasser-Qualität im Besonderen in aller Regel gut. Die hygienischen Probleme beginnen erst mit den Trinkwasser-Installationen im Haus und dem Betrieb dieser Trinkwasser-Anlagen.“

Genauso stellt sich die Situation auch für Professor Dr. Hans-Peter Rohns dar. Er ist bei den Stadtwerken Düsseldorf für die Qualitätsüberwachung des Wassers verantwortlich und sieht das zu Trinkwasser gebrachte Rohwasser ebenfalls in bester Qualität: „Wir brauchen keine neuen Aufbereitungsverfahren oder Ähnliches. Schwierig wird es vielmehr in der Haus­installation mit der Frage, was dort eigentlich alles eingebaut und wie die Trinkwasser-Anlage dann genutzt wird.“ Zentrale Stichworte sind für Rohns dabei unter anderem DiY-Materialien aus dem Baumarkt und der mögliche Nährstoff­eintrag bei deren nicht fachgerechter Verarbeitung durch Laien, der dann wiederum das Bakterienwachstum begünstige.

Wie schwierig sich aber speziell die Frage zu den in der Hausinstallation eingesetzten Installationssystemen in der Praxis allgemein darstellt, wird gerade in seinem, im Düsseldorfer Versorgungsgebiet, deutlich. Dort hat der Netzbetreiber mit Hinweis auf das Minimierungsgebot nach TrinkwV die Zugabe von Silikat massiv zurückgefahren – und warnt als Konsequenz jetzt vor dem Einsatz von Kupferrohr. „Begleitet wurde die Umstellung“, so Prof. Dr. Rohns, „durch umfassende Untersuchungen auch von Korrosionsfachleuten. Signifikant höhere Schäden sind jedoch nicht aufgetreten.“

Insofern dürften die mit rund 50 Prozent Marktanteil am meisten verbreiteten Kupfer-Rohrleitungssysteme also auch in Zukunft die dominierende Größe in Trinkwasser-Anlagen darstellen und der bereits eingeschlagene Weg, über strömungsgünstige metallene Rohrleitungssysteme zu einer schlankeren und damit trinkwasser-hygienisch besseren Auslegung zu kommen, fortgesetzt werden.

Anforderungen an Versorger steigen

Die Stellungnahme unterstreicht aber zugleich den engen Zusammenhang zwischen den vom Versorger bereitgestellten Wasserqualitäten, der technischen Ausführung einer Trinkwasser-Anlage und deren bestimmungsgemäßem Betrieb. Dass die sich daraus ergebenden Wechsel­wirkungen jetzt ausdrücklich in der TrinkwV verankert sind, ist also ein fast schon zwangsläufiger Schritt.

Auf den nächsten Handlungsbedarf werden sich aber insbesondere die Versorger noch wesentlich stärker als bisher einstellen müssen: Der ungebremste Ein-trag von Nitrat sowie Arzneispuren ins Grundwasser oder der vollumfänglich eigentlich kaum realisierbare Rückbau von Verteilnetzen in Regionen mit Bevölkerungsschwund sind nur zwei der großen Herausforderungen, auf die sie in den kommenden Jahren zu reagieren haben. Denn unabhängig von der Dominanz der externen Einflussfaktoren gilt ja auch für sie nach §4 Abs. 1 der TrinkwV 2017 uneingeschränkt die Prämisse „Trinkwasser muss so beschaffen sein, dass durch seinen Genuss oder Gebrauch eine Schädigung der menschlichen Gesundheit … nicht zu besorgen ist. … Diese Anforderung gilt als erfüllt, wenn bei der Wassergewinnung … die allgemein anerkannten Regeln der Technik eingehalten werden und das Trinkwasser den Anforderungen der §§ … entspricht.“ Und das könnte künftig deutlich mehr aktives Eingreifen in die Wässer erfordern, wie das Beispiel des Ersatzes veralteter bzw. der notwendige Rückbau überdimensionierter Verteilnetze in den Versorgungsgebieten zeigt.

Wahlfreiheit gefährdet?

Wenn dieser Rückbau oder Ersatz ansteht, werden vielerorten großzügig dimensionierte Verteilnetze aus Guss- oder Eisenrohr gegen erdverlegte Rohr­­leitungen aus PVC ausgetauscht – und damit die Schutzschicht fördernden Inhibitoren, insbesondere Phosphat für den Schutz des Wasserwerk-eigenen Verteilnetzes, überflüssig. Je nach pH-Wert (>7,4) und TOC-Gehalt (< 1,5 mg/l bei einem pH-Wert 7,0 bis 7,4) des Wassers bleibt das für die Hausinstallation ohne Folgen. Im anderen Fall jedoch sind möglicherweise Probleme mit der Schutzschichtbildung bei Kupferrohren zu erwarten.

In Bestandsanlagen spielt das dadurch erhöhte Korrosionsrisiko zwar angeblich keine nennenswerte Rolle. In Neubauten hingegen würde es aber die Auswahlmöglichkeiten bei den Rohrleitungs­systemen für die Häuslebauer einschränken. Insbesondere, wenn diese aus ökologischen, technischen oder auch gesundheitlichen Gründen zudem kein Mehrschichtverbundrohr mit Kunststoff als wasserbenetzter Innenfläche (zumeist PE-Xc) einsetzen wollen. Denn nach wie vor haften solchen Rohrleitungssystemen bekanntlich die schon vor zehn Jahren erhobenen Bedenken an, dass trotz Polymerisation chemische Rohrinhaltsstoffe in nennenswerter Menge in das Trinkwasser migrieren und es entsprechend belasten. Hinzu kommt, dass bei diesen Rohrleitungssystemen im Falle einer thermischen Desinfektion zumindest das Restrisiko einer Schädigung der Rohr­innenoberfläche besteht. In der Folge sind dann sowohl eine verstärkte Chemikalienmigration ins Trinkwasser wie auch eine stärkere Biofilmbildung, als nährstoffreicher Lebensraum beispielsweise für Legionellen, zu erwarten.

Informationsbasis ausreichend?

Fachplaner, Fachhandwerker und ausschreibende Stellen müssten dann also theoretisch in wesentlich stärkerem Maße als bisher die einzusetzenden Rohr­leitungsmaterialien auf die anliegenden Wasserqualitäten abstimmen und deren potentiell zu erwartenden Verschiebungen gewissermaßen präventiv berücksichtigen. Inwieweit das auf Basis der aktuell meist nur jährlich veröffentlichten Wasseranalysen der Versorger zu leisten ist, steht zumindest infrage. Dr. Karin Gerhardy vom DVGW – also der Instanz, die Installationskomponenten in Kontakt mit Trinkwasser zertifiziert – kennt diese Problematik natürlich: „Generell gibt es aber bezüglich Auskunftsfreudigkeit bei den Versorgern eine große Offenheit. Tatsache ist aber auch, dass sie sich künftig auf mehr Nachfragen dazu werden einstellen müssen. Vor allem, weil Planer und Fachhandwerker vor der Neuinstallation dann häufiger auf tages­aktuelle Daten zurückgreifen wollen.“ Ob das von diesen in der Praxis tatsächlich zu leisten ist, sei dahingestellt…

Ein weiterer Grund für den Druck auf die Versorger und deren Wasserquali­täten ist die Tatsache, dass die Aufmerksamkeit für gesundes Trinkwasser in der Bevölkerung massiv wächst. Speziell namhafte Anbieter von Tischwasserfiltern oder in der Küche fest installierter Sprudel­wasserbereiter haben dazu wesentlich beigetragen. Für diese End­verbraucher muss „das Wasser aus dem Hahn“ nach ihrem Verständnis zwingend gesundheitlich absolut unbedenklich sein – und sie sehen dafür zuvorderst die Versorger in der Pflicht. Ob sie dann mit nur jährlich publizierten Wasseranalysen den Wissensdurst ihrer Kunden zufrie-denstellen können, ist zumindest fraglich.

Zwar wird das Trinkwasser „durch die häufigere Bekanntgabe der Analysewerte auch kein bisschen besser“, wie Professor Dr. Rohns von den Düsseldorfer Stadtwerken es formuliert. Die ohnehin von den meisten Versorgern nahezu täglich durchgeführten Wasseranalysen und die gewissermaßen sekundenaktuellen, inter­­netgestützten Massenmedien aber bieten zweifellos eine mehr als hinreichende Basis, dieses Informationsbedürfnis künftig umfassender zu stillen – und damit die Bedeutung für den Erhalt der Trink­wassergüte auf allen Ebenen der Gewinnung, Aufbereitung und Verteilung noch stärker als bisher zu unterstreichen.

Trinkwasser in Gefahr

An Trinkwasser als „Lebensmittel Nr. 1“ werden höchste hygienische Ansprüche gestellt. Die in unseren Breitengraden dafür bislang noch vergleichsweise einfache Filterung und Aufbereitung wird aber nach Einschätzung von Fachleuten auf Dauer nicht ausreichen, die Qualität gemäß TrinkwV zuverlässig zu gewährleisten. Insbesondere der Nitrateintrag über Düngung in der Landwirtschaft, die Verunreinigung durch mikroorganische Spurenstoffe aus Medikamenten und die Verunreinigung durch Microplastics, also letztlich kleinste Kunststofffasern, macht den Wasser­experten Sorge.

Dr. Ingrid Chorus (UBA) und Dr. Karin Gerhardy (DVGW) fordern daher genauso wie Prof. Dr. Rohns (Stadtwerke Düsseldorf) gleichermaßen wesentlich mehr Achtsamkeit bei der Einleitung von Schadstoffen in den Wasserkreislauf: Was an Hygienerisiken erst gar nicht in diesen Wasserkreislauf eingetragen wird, muss bei der Aufbereitung des Rohwassers auch nicht aufwändig herausgefiltert werden, so der Tenor.

Auf lange Sicht aber dürfte an aufwändigeren, damit letztlich auch teureren Reinigungsverfahren auf der Rohwasserseite kein Weg vorbei führen, da viele der hygienisch bedenklichen Einträge nicht vor Ort entstehen, also durch nationale Regelwerke auch nicht beeinflusst werden können. Weitergehende Informationen gibt es unter den Stichworten „Plastikmüll“, „Arznei“ oder „Gülle“ unter: www.umweltbundesamt.de

Montag, 11.12.2017