Erneuerbare Energien ja, aber nicht überall!

Mit der novellierten Trinkwasserverordnung ist für Versorger die Verpflichtung zum Risikomanagement gekommen.

Um Gefahren für den Erhalt der Trinkwasserhygiene rechtzeitig zu identifizieren und mit entsprechenden Maßnahmen gegenzusteuern. Das ist gut. Schlecht ist, dass im Zuge des Ausbaus erneuerbarer Energien auch Wasserschutzgebiete nicht mehr tabu sind!

Wenn es um die politisch gewollte Energiewende geht, um den Übergang weg von fossilen hin zu regenerativen Quellen, dann ist Diskussionsstoff garantiert. Vor allem, seit dank üppiger Förderung an riesigen PV-Feldern und landschaft-verspargelnden Windkraftanlagen flächendeckend mehr oder weniger sichtbar wird, dass die gerne sonnig-grüne Medaille auch eine windige Schattenseite hat ...

Der alte Engländer wusste zwar trotz legendär beschränkter Kochkünste schon eine ganze Weile „You can‘t make an omelette without breaking eggs!“; am einfachsten grundlegend übersetzt mit: „Wo gehobelt wird, da fallen nun mal Späne!“ Doch dass die grüne Energiewende derart spanabhebend werden würde, mit nicht selten stark zurückhaltender Rücksichtnahme selbst auf Flora-Fauna-Habitat-Gebiete, seit Jahrzehnten geschützte Naturparks oder Trinkwasserschutzgebiete – das sorgt mittlerweile für Erregung. Und veranlasste jüngst sogar den DVGW zu einer klaren Stellungnahme.

Aufgrund der Relevanz des Themas – vor dem Hintergrund der langfristig abgesicherten Trinkwasserversorgung hierzulande auch in Zeiten des Klimawandels – veröffentlichen wir nachstehend das Positionspapier mit dem Titel „Erzeugung erneuerbarer Energie in Grundwasserschutzgebieten – Ausbau fördern und schützen“ weitgehend ungekürzt. Das vorliegende DVGW-Positionspapier bezieht sich auf Wasserschutzgebiete für Grundwasser. Für Wasserschutzgebiete an Trinkwassertalsperren bereiten der DVGW und die Arbeitsgemeinschaft Trinkwassertalsperren (ATT) eine angepasste Positionierung vor: „... Für den dringend notwendigen Ausbau der erneuerbaren Energien werden zusätzliche Standorte insbesondere für die Errichtung von Windenergie-, Photovoltaik-, Geothermie- und Biomasse-Anlagen benötigt. Für die Klimaneutralität und Sicherheit unserer Energieversorgung gewinnen daher auch Standorte für Erneuerbare Energie-Anlagen (EE-Anlagen) in Wasserschutzgebieten zunehmend an Bedeutung. Dabei gilt es grundsätzlich zu beachten, dass das bestehende Schutzniveau für die jeweiligen Trinkwasserressourcen gewährleistet bleiben muss.

Wasserschutzgebiete für die öffentliche Wasserversorgung machen ca. 15 Prozent der Fläche der Bundesrepublik Deutschland aus. In diesen Gebieten gelten zum Schutz der Trinkwasserressourcen besondere Anforderungen an Anlagen, Handlungen und Nutzungen, die auch mit Beschränkungen und Verboten in den verschiedenen Schutzzonen verbunden sein können. Davon sind auch EE-Anlagen betroffen, weil zum Beispiel bei Bau und Betrieb mit wassergefährdenden Stoffen umgegangen wird und in die grundwasserschützenden Deck- und Sohlschichten oder direkt in das Grundwasser eingegriffen wird. Störungen und Havarien können teils irreversible Belastungen der Trinkwasserressourcen zur Folge haben ...

Rechtliche Grundlagen

Die öffentliche Wasserversorgung ist Aufgabe der Daseinsvorsorge. Daher sind die Gewässer gemäß § 6 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) nicht nur grundsätzlich vor nachteiligen Veränderungen zu schützen, sondern auch so zu bewirtschaften, dass ihre Nutzung für die öffentliche Wasserversorgung gewährleistet bleibt. Um diesen Schutz sicherzustellen, können gemäß § 51 WHG per Rechtsverordnung Wasserschutzgebiete ausgewiesen werden.

In Wasserschutzgebieten müssen die spezifischen Anforderungen, Beschränkungen und Verbote einer örtlichen Wasserschutzgebietsverordnung sowie die Regelungen der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) beachtet werden. § 49 AwSV verbietet in den Wasserschutzzonen I und II die Errichtung aller Anlagen, die aufgrund des Umgangs mit wassergefährdenden Stoffen unter diese Verordnung fallen. In der Schutzzone III gilt dieses Verbot für bestimmte Anlagen und für die nicht verbotenen Anlagen müssen besondere Schutzvorkehrungen getroffen werden, um Umwelt- und Gewässerbelastungen ausschließen zu können.

EE-Anlagen müssen in einem Wasserschutzgebiet so beschaffen sein und so errichtet, betrieben und rückgebaut werden, dass eine nachteilige Veränderung der Eigenschaften der Trinkwasserressourcen nicht zu besorgen ist. Ungeachtet dessen liegt die Errichtung und der Betrieb von EE-Anlagen zur Stromerzeugung sowie der dazugehörigen Nebenanlagen laut § 2 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG 2023) im überragenden öffentlichen Interesse und soll neben dem Schutz der Trinkwasserressourcen als vorrangiger Belang in eine Schutzgüterabwägung eingebracht werden.

Im konkreten Einzelfall ist daher eine besonders sorgfältige Schutzgüterabwägung zwischen dem Klimaschutz und Sicherheit der Energieversorgung auf der einen und dem Schutz der Trinkwasserressourcen auf der anderen Seite erforderlich …

Der Antragsteller muss die Behörde durch eine substanzielle und detaillierte Begründung in die Lage versetzen, diese komplexe Schutzgüterabwägung auch vollumfänglich durchführen zu können. Dafür sind ... die Vulnerabilität der genutzten Trinkwasserressourcen, -anlagen und -netze, die mit der geplanten Anlage verbundenen Gefährdungen, das mögliche Schadensausmaß und dessen Eintrittswahrscheinlichkeit zu bewerten sowie ... Schutz- und Monitoringmaßnahmen zu identifizieren.

Darüber hinaus muss der Antragsteller ... für den gewählten Standort den dringenden Bedarf nachweisen, ... . ... Dieser [Anm.: der Antragsteller] ist ... darüber hinaus zu verpflichten, dass er ... die Haftung für Schäden übernimmt, die dem Wasserversorgungsunternehmen aus nachteiligen Veränderungen der Wasserbeschaffenheit entstehen.

Orientierende Bewertung von EE-Anlagen in Wasserschutzgebieten

In der Schutzzone III kann unter Beachtung der einschlägigen Grundwasserschutzanforderungen die Errichtung von EE-Anlagen genehmigungsfähig sein. Damit ist im flächenmäßig allergrößten Teil eines Wasserschutzgebietes die Erzeugung erneuerbarer Energie zwar Beschränkungen unterworfen, aber grundsätzlich möglich.

In der flächenmäßig deutlich kleineren Schutzzone II sind der Bau und der Betrieb von EE-Anlagen in der Regel verboten. Wenn das überwiegende Wohl der Allgemeinheit den Betrieb der EE-Anlage dennoch erforderlich macht ... , können in begründeten Einzelfällen EE-Anlagen genehmigungsfähig sein. Dies gilt insbesondere, wenn die Anlagen der Energieversorgung des Wasserwerks selbst dienen und damit eine besondere Funktion zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit übernehmen. In Karst- und Kluftgrundwasserleitern mit hohen Fließgeschwindigkeiten können gemäß DVGW-Arbeitsblatt W 101 zusätzliche Kriterien (u.a. tektonische Verhältnisse, hydrodynamische Dispersion, Porosität des Grundwasserleiters, gespannte/ungespannte Verhältnisse) für die Gefährdungsbeurteilung von EE-Anlagen in der Schutzzone II notwendig sein.

Nach Einschätzung des DVGW können in der Schutzzone II unter Beachtung strenger Gewässerschutzanforderungen derzeit nur Freiflächen-Photovoltaikanlagen so errichtet und betrieben werden, dass die damit verbundenen Risiken minimiert und beherrscht werden können. Das ist bei flachgründiger Errichtung ohne nennenswerte Eingriffe in die Deckschichten, Betrieb ohne Einsatz wassergefährdender Stoffe bzw. die Verwendung von Trockentransformatoren oder Ester-befüllten Transformatoren mit entsprechenden Auffangwannen der Fall.

Bei Windkraft-, Geothermie- und Biogasanlagen ist diese Einschätzung aufgrund der deutlich größeren Eingriffe in die Deckschichten und ggf. in den Grundwasserleiter, des Umgangs mit wassergefährdenden Stoffen sowie der größeren Risiken im Fall von Havarien und Störungen in der Regel nicht gegeben. ... . In der Schutzzone I sind generell sämtliche Anlagen und Nutzungen, die nicht unmittelbar der Wasserversorgung dienen, unzulässig. Das gilt auch für EE-Anlagen. Ausnahmen von dieser grundsätzlichen Regel sind aus DVGW-Sicht lediglich für die Errichtung und den Betrieb von EE-Anlagen auf bestehenden baulichen Anlagen möglich, wenn eine zusätzliche Gefährdung des Schutzzwecks ausgeschlossen werden kann. ... .

Fazit

Die Klimaneutralität der Energieversorgung zu erhöhen und gleichzeitig die Trinkwasserressourcen in bewährtem Maße zu schützen, ist nicht die Quadratur des Kreises. Die Schutzgüterabwägung im Zusammenspiel von Klimaschutz und Trinkwasserschutz fordert von allen Beteiligten ... ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein und eine hohe Bereitschaft, auf der Grundlage von aussagekräftigen Daten und Auswertungen gemeinsam einen tragfähigen Kompromiss in Abstimmung mit dem Wasserversorgungsunternehmen zu suchen und zu finden.“

Weiterführende Informationen: https://www.dvgw.de/

Mittwoch, 27.12.2023