Abwasserhydraulik nicht dem Zufall überlassen

Na, ein bisschen Gefälle braucht es schon – wer ein Entwässerungssystem nach groben Daumen-regeln plant und installiert, statt mit Präzision ans Werk zu gehen, kann üble Überraschungen erleben. Denn längst ist erprobt, wie häusliches Abwasser durch teilbefüllte Leitungen und belüftete Fallleitungen bestmöglich fließen kann.

Jede eingesetzte Komponente hat dabei eine hohe Bedeutung. Ob Leitungsführung oder -werkstoff, Dimensionierung oder ausreichende Spülmenge: Ein aufeinander abgestimmtes System verspricht dem Planer und Installateur am ehesten eine gute Werkleistung, die der Kunde zu Recht erwarten kann.

Mal mit Augenmaß, mal mit der Wasserwaage: Wer als Praktiker die Ärmel hochkrempelt, zu den Entwässerungsrohren greift und sich mehr schlecht als recht nach dem passenden Leitungsweg umschaut, mag einen gewissen Grad an Funktion erreichen. Ein Stresstest würde aber schnell offenbaren, dass hier vieles dem Zufall überlassen wurde. Unzählige Fließversuche bei Herstellern von Entwässerungssystemen haben in den letzten Jahren akribisch gezeigt, wie beim Abwasser Ursache und Wirkung in Verbindung stehen. Aus dieser Grundlagenarbeit lässt sich heute sicher ableiten, mit welchen Mengen beim häuslichen Abwasser und bei Niederschlagsmengen am Gebäude und auf dem Grundstück zu rechnen ist. Und längst ist ermittelt, mit welchen Abflusskennzahlen der Planer rechnen muss, um die Funktion eines Systems selbst bei hoher Belastung zu gewährleisten.

Doch mit der richtigen Dimensionierung allein ist es bei Weitem nicht getan. Es geht beispielsweise auch darum, welche Spülmengen für das Leitungssystem erforderlich sind. In einer neu errichteten Wohnanlage fließen die auf Wassersparen ausgelegten häuslichen Abwässer durch deutlich kleiner dimensionierte Rohrleitungen als in einer betagten Immobilie, die zur Teilsanierung ansteht. Im Bestand kann es sogar sein, dass das Ausschwemmverhalten eines alten Systems nur dann funktioniert, wenn eine erhöhte Spülmenge schwallweise den überdimensionierten Leitungsquerschnitt spült. So war es im Jahr 1960 noch durchaus üblich, dass ein WC-Spülkasten einen Vorrat von 14 Litern bereit hielt – die Idee der Spartaste hatte sich da noch nicht etabliert.

Heute kann ein System so ausgelegt sein, dass bereits eine Spülmenge von vier Litern reicht, doch als Standard bevorraten die meisten Spülkästen sechs Liter. Diese Spülmenge können Planer zugrunde legen, wenn nicht außergewöhn­liche Rahmenbedingungen dagegen sprechen – dies gehört also mit auf die Checkliste, wenn in einer Liegenschaft wesentliche Änderungen in Auftrag genommen werden sollen.

Von der Funktion zur Präzision

Vor Jahrzehnten war es für den Handwerker auf dem Bau vor allem wichtig, dass das Abwasser ungehindert seinen Lauf durch die Leitungen nahm. Das zeigt sich heute bei vielen Badsanierungen: Statt einer schallentkoppelnden Rohrschelle hat mancher Ziegelstein unter der Wanne oder auch ein Mörtelbett das nötige Gefälle sichergestellt. Gut, wenn’s fließt!? Eine solch beschränkte Argumentation ist aus heutiger Sicht fatal, denn dieser mangelhafte Behelf hat schließlich eine Störquelle in puncto Schallschutz zementiert.

Die jetzt verfügbare Haus- und Gebäudetechnik hat sich von solchen alten Machenschaften meilenweit entfernt. Mit der Vorwandinstallation sind in den letzten Jahren höchst komplexe Systeme in die Badplanung integriert worden.

Diese stellen in der Versorgungstechnik beispielsweise sicher, dass schallentkoppelt am WC wassersparende Spültechnik oder am Waschtisch möglichst stagnationsfreies Kalt- und Warmwasser zur Verfügung steht – und störungsfrei ablaufen kann.

Auch liefert der Sanitärspezialist sorgsam aufeinander abgestimmte Lösungen, damit barrierefreies Duschen möglichst viel Behaglichkeit bringt oder eine neue Wanne Wellness in den eigenen vier Wänden Wirklichkeit werden lässt.

Ein guter Ablauf ist kein Zufall

Alte Entwässerungssysteme können typische Mängel aufweisen: Unangenehme Gerüche aus leergesaugten Siphons sind noch das geringste Übel. Aufdringlich laute Fließgeräusche oder gar ein Rückstau samt Austritt von Fäkalien aus einem versagenden Entwässerungssystem zeigen Wirkungen, deren Ursachen allerdings keine Unbekannten sind. Um dem sicher aus dem Weg zu gehen, bedarf es einer erprobten Hydraulik, damit Schmutzwasser möglichst geräuscharm aus der Etage über die Fallleitung und dann weiter bis in den öffentlichen Kanal geführt werden kann.

Hersteller Geberit hat beispielsweise dazu umfangreiche Laborversuche für Hydraulik und Akustik durchgeführt. Die Erkenntnisse sind für den Sanitärplaner insoweit aufbereitet worden, dass er komfortable Software zur richtigen Dimensionierung und Leitungsführung einsetzen kann (zum Beispiel „Geberit-ProPlanner“).

Per Mausklick lässt sich heute ermitteln, mit welcher Spülmenge oder welchem Rohrdurchmesser, Gefälle, zu erwartendem Anteil von Feststoffen und nicht zuletzt mit welchem Leitungswerkstoff zu rechnen ist. Bei Letztgenanntem kann das Entwässerungssystem zum Beispiel das hochschallgedämmte „Geberit Silent-db20“ oder das schalloptimierte „Geberit Silent-PP“ sein.

Strömung im Bauteil optimiert

Doch das ist nicht alles: Entwässerungsspezialisten wie Geberit entwickeln neue Formteile durch auf-wendige Strömungsberechnungen beziehungsweise -simulationen in eigenen Sanitärlabors. Dabei hat sich erwiesen (siehe Grafik), dass die Strömungsverhältnisse in die Fallleitung ungünstig sind, wenn es sich um einen 88,5°-Abzweig ohne Bogenradius handelt. Die Auswirkungen: Der Querschnitt der Fallleitung wird größtenteils verschlossen und behindert so das Nachströmverhalten der Luft im Fallstrang. Die Ablaufleistung bleibt hinter den Möglichkeiten zurück.

Günstiger sieht es beim 45°-Abzweig in die Fallleitung aus, jedoch ist dies nur bei gleicher Dimension zulässig. Auch kommt hinzu, dass die Belüftung in die Anschlussleitung nicht besonders gut ist. Daher liegt das Optimum klar beim Bogenabzweig 88,5°. Hier bewirkt der Innenradius eine erhebliche Steigerung der Ablaufleistung (um ca. 30 Prozent).

Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass sich im Fallstrang sowie in der Einzel- und Sammelanschlussleitung ein möglichst günstiges Wasser-/Luft-Gemisch ergibt. Doch diese erwünschten Effekte stellen sich natürlich nur dann ein, wenn Planer und Installateur die Vorgaben des Herstellers einhalten und das System ausschließlich mit den dafür vorgesehenen Bauteilen errichten.

Anschlussbedingungen sind jetzt günstiger

Ein in den letzten Jahren entwickeltes Bauteil, der Geberit Doppelabzweig, macht es sogar möglich, dass genau gegenüberliegende Seiten auf gleichem Level in den Fallstrang sicher entwässern können, ohne sich nachteilig zu beeinflussen. Auch hier spielt der Bogenradius (mindestens die Größe des halben Durchmessers) die entscheidende Rolle, denn nur so ließen sich die Anwendungsgrenzen erweitern.

Durch transparente Funktionsabläufe konnte Geberit nachweisen, dass selbst dann, wenn nur auf der einen Seite fäkalienhaltiges Abwasser einströmt, kein Überspülen stattfindet. Eine mögliche Störung im System, also für den ge­genüberliegenden Anschluss, ist dadurch nicht zu befürchten.

Inzwischen sind neueste Anschlussbedingungen korrigiert worden. Mit der Überarbeitung der DIN 1986-100 (Weißdruck erschien im September 2016) erhalten Planer und Installateur die entsprechenden Vorgaben schwarz auf weiß. Für die rationelle Montage von Entwässerungssystemen in mehrgeschossigen Wohngebäuden hat dies hohe Bedeutung: Die Leitungsführung lässt sich deutlich einfacher bewerkstelligen und somit kann auch die Kalkulation günstiger ausfallen.

Reduzierung auf DN 90

Die Bauteilkosten lassen sich auch dann günstiger gestalten, wenn statt der früher üblichen 100er-Nennweite auf eine Fallleitung in DN 90 vertraut wird. Für den Wohnungsbau reicht diese Dimen­sionierung in sehr vielen Fällen aus, ohne dabei Einbußen in der Ablauf­leistung riskieren zu müssen. So haben Simulationen längst unter Beweis gestellt, dass selbst in einem Wohngebäude mit 15 Geschossen eine Fallleitung in DN 90 ausreicht, wenn die Bäder standardmäßig mit WC, Waschtisch und Dusche ausgestattet sind. DN 90 bedeutet für den Verarbeiter, dass er eine deutlich handlichere Bauform zur Verfügung hat, die er beispielsweise merklich besser in die Vorwand beziehungsweise in Zwischenwände im Trockenbau oder in einen Schacht integrieren kann.

Auch für die bodenebene Dusche gibt es eine zeitgemäße Technik, die Geberit als einer der ersten auf den Markt gebracht hat: Die sichere Entwässerung gelingt auch dann, wenn nur eine Aufbauhöhe von wenigen Zentimetern zur Verfügung steht (siehe Grafik). Dafür sorgt eine separate Einzelanschlussleitung (d = 50 mm), die nicht mehr an den WC-Ablauf gekoppelt wird, sondern direkt zum neu entwickelten Kombibogenabzweig in der Fallleitung führt. Hier gibt es eine Vielfalt an Varianten, die unterschiedlichsten Einbausituationen gerecht werden.

Fazit: Präzise Technik für die Entwässerung

Wer eine Entwässerungstechnik frei nach dem Grundsatz „Gut, wenn’s fließt!“ installiert, kann leicht an den zahlreichen Bedingungen für ein mängelfreies Werk scheitern. Denn eine einwandfreie Funktion des Abwassersystems kann nur gelingen, wenn die Dimensionierung der Leitung mit der entsprechenden Spülmenge harmoniert. Auch sind moderne Bauformen innerhalb eines Systems so abgestimmt, dass sich ein möglichst günstiger Füllungsgrad sowie ein rückstandsloses Ausspülverhalten ergeben. Ebenso ist im häuslichen Abwassersystem wichtig, dass stets Luft für einen Druckausgleich nachströmt, damit Wasser mit Inhaltsstoffen störungsfrei abtransportiert werden kann – und zwar ohne Druck, nur mit Gefälle. Last but not least darf die vom Nutzer erwartete Schallentkopplung für möglichst geringe Betriebsgeräusche nicht außer Acht bleiben.

Ratgeber in Wort und Bild

Für die Planung, Dimensionierung, Verlegung und den Betrieb von häuslichen Entwässerungsleitungen hat Geberit den Leitfaden „Abwasserhydraulik“ erstellt. Dabei stehen die häufigsten baulichen Anwendungsbereiche im Fokus.

Besondere Bauformen von Leitungen und ihre Vorzüge sind dabei ebenso Thema wie etliche Lösungsansätze für die sichere Entwässerung für das Dach, auf der Etage, im Fallstrang oder für die Sammelleitung in Richtung Kanalisation. Flankierend dazu sind wichtige technische Daten in Tabellen aufgeführt, die dem Planer zur Bemessung eines Systems Hilfestellung geben. Die Broschüren können unter folgender Adresse heruntergeladen oder bestellt werden: www.geberit.de/abwasserleitfaden

Weiterführende Informationen: http://www.geberit.de/abwasserleitfaden

Mittwoch, 21.12.2016