Verliert Handwerk „Goldene Boden“-Haftung?

„Mangel“-Wirtschaft auf der Baustelle

Energiewende, Wohnungsbau, Digitalisierung – Baustellen gibt es zur Genüge in unserem Land. Reichlich „goldener Boden“ für das Handwerk, möchte man meinen. Doch der zunehmende Mangel an Fachkräften bremst den „Goldrausch“ aus…

„Die Auslastung der Betriebe könnte kaum besser sein. In allen Bau- und Ausbaugewerken kann es zu Wartezeiten von bis zu zwölf Wochen kommen, bis der Handwerker Zeit findet. Die Auftragslage ist sogar so gut, dass viele Betriebe oftmals gar keine weiteren Aufträge mehr annehmen können - weil sie einfach nicht genügend Fachkräfte finden“, klagt der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) auf hohem Niveau.

Aber es gibt auch gute Nachrichten. Fast zwei Prozent mehr abgeschlossenen Ausbildungsverträge (Stand: August 2018) im Vergleich zum Vorjahr zeigten: „Junge Menschen entscheiden sich wieder verstärkt für die vielfältigen Möglichkeiten und Karrierewege, die das Handwerk zu bieten hat“, so der ZDH. Auf der anderen Seite aber bleiben immer noch rund 27.000 Ausbildungsplätze unbesetzt…

Holger Schwannecke, Generalsekretär des ZDH, entwirft dazu ein Szenario für die nahe Zukunft, das er keinesfalls als Panikmache verstanden haben möchte: „Die schon jetzt langen Wartezeiten werden allenfalls ein Vorgeschmack auf das sein, was uns blüht, wenn wir nicht wieder mehr junge Menschen für eine berufliche Ausbildung gewinnen. Die Fachkräftesicherung ist eine entscheidende Zukunftsfrage - nicht allein für das Handwerk, sondern für unsere Wirtschaft insgesamt.“

Stotternder Job-Motor

Die Jobmaschine Handwerk läuft mit angezogener Handbremse. Zwar habe die Branche 2017 etwa 70.000 neue Jobs geschaffen, doppelt so viele wie im Jahr zuvor. Andererseits beziffert der ZDH die Anzahl der offenen Stellen im Handwerk auf 150.000…

Am stärksten vom Fachkräftemangel betroffen seien die Ausbildungsberufe Elektroniker (Stichwort: Digitalisierung) sowie Anlagenmechaniker SHK (Stichwort: Wärmewende). Beide Berufe gehören zu den 33 handwerklichen Berufsbildern, die MINT zugerechnet werden (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik). Vor diesem Hintergrund fordert der ZDH eine frühzeitige Weichenstellung pro MINT-Fächer bereits in der frühkindlichen Bildung und im allgemeinbildenden Schulbereich.

Darüber hinaus müsse eine ganzheitliche Berufsorientierung selbst an Gymnasien stattfinden: „Es gibt über 130 Ausbildungsberufe im Handwerk. Dazu kommen noch zahlreiche Möglichkeiten, wie die Meisterqualifikation, die zur Führung eines eigenen Betriebes befähigt, oder auch integrierende Angebote wie ein duales oder triales Studium. Die Fachkräfteproblematik wird sich nicht lösen, wenn junge Menschen ausschließlich in Richtung Abitur und Studium geschickt werden“, betont Schwannecke.

Gesteuerte Zuwanderung als Chance

Die vor kurzem von der Koalition festgelegten Eckpunkte für ein Einwanderungsgesetz erleichtere vor allem die Zuwanderung beruflich qualifizierter Fachkräfte, die gerade vom Handwerk dringend gebraucht würden, so der ZDH. Es sei richtig, die Weichen für eine gesteuerte, strikt arbeitsmarktorientierte Zuwanderung ausländischer Fachkräfte zu stellen. Weiter werde der Verband darauf drängen, Migrationsabkommen mit Staaten abzuschließen, die mit einem vergleichbaren Berufsbildungssystem ausbilden. Das werde die Anerkennungsverfahren für Fachkräfte aus diesen Ländern vereinfachen und beschleunigen.

Dienstag, 30.10.2018