Rohrabschottungen – viele Regeln, wenig Klarheit

Rohrabschottungen verhindern, dass Feuer, Rauch und/oder unzulässig hohe Temperaturen in andere...

...Brand­abschnitte (Geschosse, Wohnungen, Nutzungseinheiten) übertragen werden. Sie kommen als brandschutztechnische Maßnahmen zur Anwendung, wenn Rohrleitungen durch Wände oder Decken mit Anforderungen an den Feuerwiderstand geführt werden. Es darf zu keiner Schwächung des Feuerwiderstandes durch diese Instal­lationen kommen. Über allem steht das Baurecht mit seinen übergeordneten Schutzzielen (§ 3,14 Musterbau­ordnung (MBO)).

In dem Beitrag wird dargestellt, welche Grundanforderungen im baulichen Brandschutz zu beachten sind. An praktischen Beispielen wird aufgezeigt, was bei der Errichtung (Montage) von klassifizierten Abschottungen mit Verwendbarkeitsnachweis zu beachten und wie die rechtliche Verantwortung des Errichters ist. Weiterhin erfolgt eine Abgrenzung zu den Erleichterungen nach der MLAR (Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie). Abschließend erfolgt ein Ausblick, was für Änderungen zukünftig zu erwarten sind.

Baurechtliche Grundlagen

Grundlegende Schutzziele werden in § 3 und § 14 der Musterbauordnung definiert. So dürfen bauliche Anlagen, wenn sie errichtet, geändert oder instandgehalten werden, die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht gefährden (§ 3).

In § 14 (MBO) wird dies dann auf die Brandschutzanforderungen ausformuliert:

Bauliche Anlagen sind so […] zu errichten […], dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird und […] Rettung von Menschen sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind.

Umsetzung durch Normbrandprüfungen

Der meistverbreitete brandschutztechnische Nachweis über die Wirksamkeit einer Abschottung erfolgt in der Regel auf der Grundlage einer Normbrandprüfung. Je nach Produktart kann man bei einer Vielzahl von Produkten wählen zwischen der deutschen Prüfnorm und dem europäischen Prüfverfahren. Bei Rohrabschottungen beispielsweise ist das zugrundeliegende deutsche Prüfverfahren die DIN 4102-11, das europäische Pendant die EN 1366-3. Ergebnis normativer Brandprüfungen sind Klassifizierungen. In Deutschland gibt es für die jeweiligen Produkte unterschiedliche Buchstaben, so steht R für Rohrabschottungen.

Verwendbarkeitsnachweise – es wird kompliziert

In Deutschland werden auf diesen Klassifizierungen dann baurechtliche Verwendbarkeitsnachweise von unterschiedlichen Stellen erteilt. In Abhängigkeit des Rohrwerkstoffes (brennbare Rohre/ nichtbrennbare Rohre) und der Anwendung (geschlossene Leitungssysteme / offene Abwassersysteme) gibt es unterschiedliche „Verwendbarkeitsnachweise“.

Die Verwendbarkeitsnachweisführung für Rohrabschottungen ist durch einen stetigen Wandel geprägt. Konstantester Nachweis ist hier noch das Allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnis (AbP), seit 1997 bauaufsichtlich eingeführt. Die allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen (AbZ) begleiten uns seit den 80er-Jahren für Abschottungen brennbarer Rohre. Bis 2017 gab es darüber hinaus Brandschutz-Parallelwelten von nationalen Zulassungen und Europäischen Zulassungen.

So werden aktuell von den Prüfstellen die Allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnisse für nichtbrennbare Rohre und brennbare Rohre ausgestellt auf der Basis von Streckenisolierungen, vom Deutschen Institut für Bautechnik, dagegen Bauartgenehmigungen (AbG) für Abschottungen brennbarer Rohre mit brandschutztechnisch wirksamen intumeszierenden Baustoffen (Bandagen, Manschetten) seit einigen Jahren auch für nichtbrennbare Entsorgungs- und Versorgungsleitungen mit brennbaren Anschlussleitungen. Und wieder gibt es eine neue Anwendung: die Mischinstallation! Die Verwirrung ist perfekt.

Durch die Novellierung der Musterbauordnung in 2016 und die Einführung der Musterverwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVVTB) in 2017 wurden die bisherigen Zulassungen durch das DIBt geändert und die Bauartgenehmigungen eingeführt. Ab sofort mussten für Europäische Zulassungen Bauartgenehmigungen beantragt werden. Hatte sich die Brandschutzwelt gerade daran gewöhnt, Rohrabschottungen mit CE-Kennzeichen zu errichten, war dies schon wieder Geschichte.

Definition:

Die Praxis

In der Umsetzung erfordert dieses komplizierte Regelwerk sehr detaillierte Kenntnisse über die vollständige Leitungsverlegung einerseits von dem Planer als auch von dem Errichter der Abschottung. Es ist nicht realistisch, ob im Planungsstand wirklich jeder Werkstoff und Materialwechsel konkret schon feststeht, damit entsprechend die Zulassung gewählt werden kann. Sind Brandschutzanforderungen vorhanden, gibt es zwei Lösungsmöglichkeiten der Umsetzung:

Klassifizierte Rohrdurchführungen

Technisch kommen Streckenisolierungen / durchgängige Isolierungen unterschiedlicher Art gerne in Verbindung mit intumeszierenden Bandagen zum Einsatz. Für brennbare Leitungssysteme gibt es Manschetten, intumeszierende Bandagen. Die Verwendbarkeitsnachweise werden immer detaillierter. Wurden vor 10 Jahren beispielsweise Isolierungen noch nach Isolierart unterschieden (Synthesekautschukisolierungen B1), so wird mittlerweile bei diesen Isolierungen jeder Produktname aufgeführt.

Folgende Randbedingungen müssen vor Erstellung der Rohr­abschottungen abgeklärt und beachtet werden:

Bei nichtbrennbaren Rohren gibt es hinsichtlich der Leitungsbefestigung auch Vorgaben. Sind Dübel mit Brandschutznachweis verwendet, die zulässigen Zugspannungen der Abhängungen eingehalten worden?

Wer Rohrabschottungen nach Verwendbarkeitsnachweis „errichtet“, trägt eine große Verantwortung. Es muss abschließend eine Übereinstimmungserklärung ausgestellt werden, in der erklärt wird, dass die Rohrabschottungen entsprechend dem Nachweis hergestellt worden sind. Diese Erklärungen haben es in sich. Kommt es zu einem Schadensfall, haftet der Errichter, wenn ihm nachgewiesen wird, dass er abweichend von den Vorgaben eingebaut hat. In der Praxis ist dies auch gar nicht so einfach. Oft sind die Kernlochbohrungen zu klein, man hat so gut wie keinen Arbeitsraum zwischen Rohrdurchführung und Bauteillaibung, dass man die geforderte Isolierdicken aufbringen kann. Leitungen mit großen Durchmessern liegen relativ dicht beieinander.

Können Vorgaben des AbP/der AbG nicht eingehalten werden, sollte frühzeitig der Hersteller der Rohrabschottung angesprochen werden, um den Sachverhalt zu bewerten. Wird der Hersteller vor Planungsbeginn mit einbezogen, hält sich der Aufwand in der Regel in Grenzen. Auf jeden Fall müssen die konkreten Einbaubedingungen bewertet, gegebenenfalls Kompensationsmaßnahmen festgelegt werden. Dies alles wird in einer Herstellererklärung dokumentiert bzw. eine „Nicht Wesentliche Abweichung“ zu den Einbaubestimmungen des o.a. Verwend­barkeitsnachweises AbP erklärt. Dann kann abschließend durch den Errichter guten Gewissens eine Übereinstimmungserklärung ausgestellt werden.

Rohrdurchführungen nach der MLAR

Die Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie (MLAR) wurde 1988 erstmalig erstellt. Man wollte mit dieser Technischen Baubestimmung dem Anwender einfache Umsetzungsregeln für die Erfüllung brandschutztechnischer Anforderungen bei Leitungsanlagen (Rohre, Kabel) an die Hand geben.

Die MLAR hat im Laufe der Jahre einige Überarbeitungen erfahren. Sie muss von jedem Bundesland eingeführt werden. Die aktuelle MLAR (Fassung 10.02.2015, Ausgabe 3 vom 30.04.2021) ist mittlerweile in fast allen Bundesländern eingeführt. Für nichtbrennbare Rohre und brennbare Rohre sind hier einige „Erleichterungen“ festgeschrieben, wie bei der Leitungsdurchführung bei Wänden mit Brandschutzanforderungen vorzugehen ist. Randbedingungen MLAR ohne Dämmung nach Abschnitt 4.3.1 MLAR:

Wird eine Rohrdurchführung nach diesen Vorgaben verschlossen, ist man in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht, erhält jedoch keine klassifizierte Abschottung! Dies wird in der Praxis oft falsch verstanden. Jeder in der Brandschutzwelt weiß, dass ein nichtbrennbares Rohr ohne Dämmung mit einem Rohraußendurchmesser ≤ 160 mm, welches durch eine 80 mm dicke Massivwand ohne Brandschutzmaßnahme vermörtelt hindurchgeführt wird, die Anforderungen an klassifizierte Abschottungen (Temperaturerhöhung auf der feuerabgewandten Seite darf nicht höher als 180 K sein) nicht erfüllt. Dies war den Entscheidungsträgern bewusst, es ist ein akzeptiertes Risiko des Staates. Deshalb ist es auch besonders wichtig, dass sämtliche Randbedingungen eingehalten werden. Eine Abweichung ist nicht zulässig.

Es gibt wieder neue Verwendbarkeitsnachweise

Am 29. November 2021 wurden die Hersteller von Brandschutzprodukten in einer Informationsveranstaltung vom DIBt informiert, dass es die AbG ab 2026 in dieser Form nicht mehr geben wird. Stattdessen sollen „Anwendungsregeln“ vom Deutschen Institut für Bautechnik veröffentlicht werden. Nach diesen Anwendungsregeln sollen von den Prüfstellen AbPs erstellt werden. In diesem Jahr soll geprüft werden, welche Bereiche weiterhin Bauartgenehmigungen vom DIBT bekommen sollen. Ende 2022 gibt es weitere Informationen. Die Hersteller waren sprachlos und unter Schock. Vier Jahre, nachdem mit großem Aufwand Bauartgenehmigungen eingeführt wurden, wird ein Prozess in Gang gesetzt, um sie wieder abzuschaffen. Die Hersteller und Prüfstellen werden ein Jahr in völliger Ungewissheit in der Warteschleife stehen gelassen.

Fazit

Rohrabschottungen zu planen und zu errichten ist mittlerweile eine sehr komplexe Angelegenheit geworden, wenn man in Übereinstimmung mit dem Baurecht agieren will. Die Umsetzung von Brandschutzanforderungen nach den Erleichterungen der MLAR ist einfach anwendbar, hat jedoch klare Grenzen. Aus Gründen des Anlagenschutzes empfiehlt die Verfasserin bei Neubauten, Sanierungsmaßnamen mit hohen Investitionen in Anlagen, immer Rohrabschottungen mit Verwendbarkeitsnachweis zu errichten.

Die Errichtung von Rohrabschottungen nach Verwendbarkeitsnachweis setzt einen gewissen Sachverstand voraus, viele Aspekte müssen beachtet werden! Der Errichter haftet durch Ausstellen der Übereinstimmungserklärung. Bei Unsicherheiten sollte eine Fachfirma beauftragt werden.

Neu eingeführte Verwendbarkeitsnachweise für „Mischinstallationen“ haben im Markt zu einer großen Verunsicherung geführt. Die Frage ist zu stellen, ob diese Nachweise (erstellt nach einem Ad-hoc-Brandprüfszenario) wirklich gebraucht werden, um sicher zu bauen. Der Bundesverband technischer Brandschutz e.V. (bvfa) hat zur Aufklärung hierzu ein öffentlich zugängliches Positionspapier erstellt.

Eine erneute Umstellung der Verwendbarkeitsnachweise kann nach Ansicht der Verfasserin nur angestoßen werden, wenn alle Akteure hierbei beteiligt werden. Davon sind wir noch weit entfernt.

www.guh-group.de

Montag, 07.03.2022