Pseudomonas aeruginosa im Trinkwasser von Gesundheitseinrichtungen

Das Bakterium Pseudomonas aeruginosa ist von hoher gesundheitlicher Relevanz in Gesundheitseinrichtungen...

... und stellt besonders für Menschen mit geschwächtem Immunsystem ein Gesundheitsrisiko dar. Deshalb kommt dem Trinkwasserpfad in gesundheitlicher Hinsicht eine besondere Bedeutung zu.

Die gute Nachricht vorweg: Mittlerweile weiß man viel über die Ursachen einer Kontamination von Trinkwasser-Installationen mit Pseudomonas aeruginosa. Damit können nun auch erstmalig Vermeidungsstrategien und mögliche Ansätze zur Sanierung betroffener Installationen beschrieben werden. Dazu wird noch in 2023 der DVGW mit dem DVGW W 551-4 ein erstes Regelwerk veröffentlichen. Und bereits im Juni wird das Merkblatt W 551-7 „Herstellung, Inverkehrbringen, Transport, Lagerung, Montage und Inbetriebnahme von Druckerhöhungsanlagen als fertige Aggregate“ erscheinen.

Neue Regelwerksreihe beim DVGW

Traditionell beschäftigt sich der DVGW mit der Hygiene in der Trinkwasser-Installation. Vor allem die beiden Arbeitsblätter W 551 und W 553 sind selbst außerhalb der Fachkreise weit bekannt, zum Beispiel in der Immobilienwirtschaft und im Sachverständigenwesen. Denn insbesondere das DVGW W 551 „Technische Maßnahmen zur Verminderung des Legionellenwachstums“ ist die allgemein anerkannte Regel der Technik und damit Grundlage jeder Bewertung und Sanierung von mit Legionella kontaminierten Trinkwasser-Installationen. Während das DVGW W 553 „Bemessung von Zirkulationssystemen in zentralen Trinkwassererwärmungsanlagen“ in Kürze in der DIN 1988-300 aufgehen wird und damit zur Verschlankung des Regelwerks beiträgt, fasst nun der DVGW weitere existierende und neue Regelwerke unter dem „Markennamen W 551“ zusammen. Diese Regelwerksreihe heißt dann DVGW W 551-X: Ausgabedatum „Hygiene in der Trinkwasser-Installation“ und danach kommt der eigentliche Titel.

Die neue DVGW W 551 Regelwerksreihe Den „Markenkern“ dieser neuen DVGW W 551-X Reihe bildet das bewährte DVGW W 551 „Legionella“. Es ist aktuell in Überarbeitung und wird dann DVGW W 551-1 heißen (Abbildung 1). Es wird gefolgt von den bereits erschienenen DVGW W 551-2 und DVGW W 551-3, bei denen es sich um den inhaltlich unveränderten Ersatz für das DVGW W 556 und DVGW W 557 handelt.

Danach folgt das DVGW W 551-4 „Hygiene in der Trinkwasser-Installation – Teil 4: Verhütung, Erkennung und Bekämpfung von Kontaminationen mit Pseudomonas aeruginosa in Trinkwasser-Installationen“. Damit gibt es nun erstmalig innerhalb der SHK-Branche ein Regelwerk zu diesem gesundheitsrelevanten Bakterium. Es ist davon auszugehen, dass dieses neue DVGW W 551-4 kurzfristig denselben Stellenwert erlangen wird, wie das heutige W 551 für Legionella.

Es wird wahrscheinlich noch in 2023 als Gelbdruck erscheinen. Vorher, nämlich im Juni 2023, wird das Merkblatt W 551-7 „Herstellung, Inverkehrbringen, Transport, Lagerung, Montage und Inbetriebnahme von Druckerhöhungsanlagen als fertige Aggregate“ erscheinen. Es geht im Kern auf Herausforderungen mit diesem Bakterium zurück. Allein schon diese speziellen Themen und die Tiefe der Informationen von der Herstellung bis zum Betrieb zeigen, warum diese neue Regelwerksreihe beim DVGW notwendig ist, obwohl wir uns sonst immer eine Verschlankung des Regelwerks wünschen: Hier werden dem Leser Informationen geboten, die in der zukünftigen DIN EN 806-Reihe und DIN 1988-Reihe nur angerissen werden können – wenn überhaupt. Es ist aber durch die (Verbands-)Teilnehmer an der DVGW W 551-Reihe sichergestellt, dass die Kernaussagen, soweit sie europäisch im Konsens vereinbart werden können, dort Eingang finden. Daran wird bereits jetzt gearbeitet.

Leitbakterien der Trinkwassergüte

Mittlerweile gelten die Bakterien Legionella spec. und P. aeruginosa als Leitbakterien für einwandfreie Trinkwassergüte: Werden sie nicht oder nur in geringen Konzentrationen (Legionella) nachgewiesen, gilt das Trinkwasser als mikrobiologisch unauffällig. Für P. aeruginosa gibt es lediglich eine Untersuchungspflicht in Gesundheitseinrichtungen und in Kitas mit Kleinkindbetreuung. Beiden Bakterien gemeinsam ist, dass sie lediglich fakultativ pathogen sind. Das heißt, sie werden selbst in hohen Konzentrationen nicht immer zu einer Erkrankung führen, stellen aber für bestimmte Nutzergruppen und vor allem in Gesundheitseinrichtungen ein erhöhtes Risiko dar. Beispielsweise ist Pseudomonas aeruginosa der wesentliche Risikofaktor für Menschen, die an Mukoviszidose (Zystischer Fibrose) erkrankt sind.

Was ist an P. aeruginosa so besonders?

Pseudomonas aeruginosa hat im Gegensatz zu Legionella äußerst geringe Nährstoffansprüche. Damit kann es, wiederum im Gegensatz zu Legionella, produktionsfrische Oberflächen besiedeln (Abbildung 2). Darüber hinaus bildet es einen ausgeprägten Biofilm. In diesem Biofilm, also in dieser wässrigen schleimigen Matrix, ist es gut gegen Austrocknung geschützt und nicht vollständig von chemischen Desinfektionsmitteln bzw. von unserem Immunsystem erreichbar.

Die Achillesferse von Pseudomonas aeruginosa in Trinkwasser-Installationen ist jedoch seine Wettbewerbsschwäche. Diese erschwert ihm eine übermäßige Vermehrung in Installationen, in denen bereits eine normale Oberflächenbesiedlung mit ganz normalen Bakterien vorliegt. Letztere werden gemäß Trinkwasserverordnung als „Koloniezahl“ erfasst (Anlage 3, Indikatorparameter Teil 1, TrinkwV 2023). Sie werden als „ohne anormale Veränderung“ bewertet. Das heißt, in üblicher Anzahl haben sie lediglich eine Indikatorfunktion und keine gesundheitliche Relevanz. In neuen Bauteilen/Installationen gibt es diese Bakterien jedoch noch nicht in ausreichender Anzahl, um die Vermehrung von P. aeruginosa einzuschränken. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass vor allem neue Bauteile beziehungsweise Trinkwasser-Installationen von einer Besiedlung mit Pseudomonas aeruginosa betroffen sind. Das heißt aber nicht, dass sie nicht auch in älteren Installationen nachgewiesen werden.

Grundsätzlich erfolgt der Nachweis lediglich in Kaltwasser-Installationen, da es bei rund 45 °C abstirbt. Weiterhin ist aus empirischen Studien bekannt, dass Pseudomonas aeruginosa vorrangig in den Sommermonaten nachgewiesen wird, wenn die Temperaturen über 25 °C betragen.

Wie kommt Pseudomonas aeruginosa in neue Bauteile?

Eine Trinkwasser-Installation in Gebäuden wird nur in seltenen Fällen über die Wasserversorgung kontaminiert, zum Beispiel durch Bauarbeiten. Der weitaus bedeutendere Eintragspfad sind produktionsseitig besiedelte Bauteile. Daher liegt die Frage nahe, warum nicht alle Bauteile im Produktionsprozess trocken geprüft werden, bei denen dies grundsätzlich möglich ist. Immerhin geht dies ja auch später bei der trockenen Dichtheits- und Belastungsprüfung von Trinkwasser- und Gasinstallationen mit hoher Zuverlässigkeit. Allerdings gibt es einige Bauteile, die sich nicht trocken prüfen lassen, da werkseitige Einstellvorgänge nur mit Wasser erfolgen können. Beispiele für solche Produkte sind Sicherungsarmaturen und Druckerhöhungsanlagen. Sie müssen daher vom Hersteller mit mikrobiologisch einwandfreiem Wasser geprüft und anschließend gegen eine übermäßige Vermehrung von unvermeidbaren Bakterien geschützt werden – beispielsweise durch Desinfektionsmaßnahmen und Handlungsempfehlungen für den Fachhandwerker am Einbauort. Grundsätzlich sollte ein Probebetrieb oder eine Inbetriebnahme solcher Bauteile maximal 72 Stunden nach Auslieferung vom Hersteller erfolgen. Ansonsten sind erneut Desinfektionsmaßnahmen notwendig.

Zudem gibt es noch Hersteller, die ihre Produkte zwar trocken prüfen könnten, es aber noch immer nicht tun. Vor diesem Hintergrund ist es empfehlenswert, im allgemeinen Teil des Leistungsverzeichnisses grundsätzlich Produkte mit hygienisch einwandfreien Oberflächen zu fordern. Beispielsweise kann man sich dazu an den Formulierungen der VDI 6023 Blatt 1, vom September 2022 orientieren (Abbildung 3).

Risikominimierung bei der Inbetriebnahme

Sinnvollerweise geht der Fachhandwerker bei der Inbetriebnahme schrittweise vor: Zunächst wird der in der Bauphase nur unzureichend genutzte Hausanschluss gespült und beprobt. Ist hier das Trinkwasser einwandfrei, wird die Technikzentrale gefüllt, gespült und beprobt. Ist auch hier alles in Ordnung, kann die Trinkwasser-Installation im Gebäude befüllt werden. Wer schon mal die Kosten einer Sanierung einer kontaminierten Installation zu verantworten hatte, wird in einem größeren Gebäude wahrscheinlich nie wieder anders vorgehen.

Pseudomonas aeruginosa positiv – was tun?

Wesentlich für den Sanierungserfolg ist das Erkennen und Beseitigen der Kontaminationsquelle. Liegt an der überwiegenden Anzahl der Entnahmestellen eine Kontamination vor, ist von einem zentralen Problem auszugehen. Dafür kommen der Hausanschluss und die Technikzentrale in Frage. Sinnvollerweise trägt man daher alle Befunde in ein Strangschema ein. So erkennt man beispielsweise eine kontaminierte Druckerhöhungsanlage daran, dass lediglich die über sie versorgten Bereiche der Trinkwasser-Installation kontaminiert sind. Wenn nur einige Entnahmestellen kontaminiert sind, kann durch eine gestaffelte Probennahme, also zum Beispiel nach je 3 Litern Ablauf, überprüft werden, ob sie selber die Ursache der Probleme sind oder ob die Kontamination weiter vorn in der Trinkwasser-Installation liegt. Manchmal endet dann die Kontamination bereits am Kleinstdurchlauferhitzer, da Pseudomonas aeruginosa wärmeliebend ist. Immer aber ist zu hinterfragen, was die Ursache einer Kontamination ist und was lediglich zum „Opfer“ einer vorgelagerten Kontamination wurde.

Erfolgsaussichten einer Desinfektion

An dieser Stelle muss betont werden, dass eine (chemische) Desinfektion nur selten die Ursache einer Kontamination beheben kann. In aller Regel muss erst die Ursache gefunden und beseitigt werden (Abbildung 4). Danach kann eine weitere Desinfektion den weiteren Fließweg „freiputzen“: Doch dafür reicht oft auch ein erhöhter Wasserwechsel als einzige Maßnahme, denn dadurch siedeln sich „gute“ Bakterien verstärkt an und Pseudomonas aeruginosa erliegt seiner Wettbewerbsschwäche.

Oftmals stellt sich bei der Wahl von Desinfektionsverfahren die Frage, ob eine chemische oder thermische Desinfektion erfolgen soll. Aus Sachverständigensicht gibt es eine klare Antwort: Aufgrund des Biofilms, in dem sich Pseudomonas aeruginosa versteckt und von chemischen Desinfektionsmitteln nicht vollständig abgetötet wird, ist die thermische Desinfektion die Methode der Wahl. Denn Wärme durchdringt jeden Biofilm und erreicht über die Wärmeleitfähigkeit der Werkstoffe auch Bereiche in Bauteilen, die nicht direkt angeströmt und damit vom Desinfektionsmittel nicht erreicht werden. Aus Biofilm oder unzureichend desinfizierten Bereichen heraus kann sonst eine Rekontamination der Installation erfolgen.

Fazit

Die Bedeutung von Pseudomonas aeruginosa ist den Medizinern schon viel länger bekannt als die von Legionella. Dennoch entstehen erst jetzt die ersten Regelwerke für die SHK-Branche. Dies liegt vor allem daran, dass erst relativ spät die Bedeutung des Trinkwasserpfades für eine Besiedlung von Patienten verstärkt erkannt wurde: So konnte man mittels Sterilfiltern an Auslassstellen von Armaturen die Anzahl besiedelter Patienten um mehr als 70 Prozent reduzieren. Weiterhin wissen wir nun um die Bedeutung produktionsseitig kontaminierter Bauteile für die Trinkwasserqualität in Gesundheitseinrichtungen. Damit können einfache und effiziente Maßnahmen zum Schutz der mensch­lichen Gesundheit prophylaktisch ergriffen werden. Die Anwendung dieses Wissens, zusammengefasst in der DVGW W 551-Reihe, sollte zu einem deutlichen Rückgang kontaminierter Trinkwasser-Installationen in Gesundheitseinrichtungen führen.

Pseudomonas aeruginosa – jede zweite in Gesundheitseinrichtungen erworbene Lungenentzündung ist auf dieses Bakterium zurückzuführen, jede dritte Harnwegsinfektion und jede achte Blutvergiftung. Weiterhin ist fast jeder Siphon mit Pseudomonas aeruginosa be­siedelt. Es gibt also gute Gründe, sich als Fachplaner und Fachhandwerker für Gesundheitseinrichtungen mit diesem für die Branche noch weitgehend unbekannten Bakterium zu beschäftigen.

Mittwoch, 11.10.2023