Die Zukunftsstadt und ihre Haustechnik

Die Zukunftsstadt nebst ihrer Haustechnik ist Thema des Wissenschaftsjahrs 2015.

Die größtmögliche Zufriedenheit für Mensch und Natur zu erreichen – das ist im Prinzip die Vision der Zukunftsstadt. Die Formel zur Lösung dieser Vision enthält allerdings unendlich viele Faktoren – na ja, nicht ganz unendlich, sonst wäre sie nicht lösbar –, die letztlich nur einen Ansatz zulassen: ein „Gesamtbild Zukunftsstadt“ vor Augen zu haben und Forschungs- und Entwicklungsprojekte als Mosaikstein dieses Gesamtbilds zu sehen. Der Stein, der nicht passt, soll auch nicht von den zunächst 150 Millionen Euro profitieren, die die Bundesregierung für die Vision in den nächsten fünf bis acht Jahren auszugeben bereit ist. Die wissenschaftlichen Designer des angelaufenen Wissenschafts­jahres 2015 mit dem Thema „Zukunftsstadt“ haben jetzt ihr Bild präsentiert...

„In Deutschland wohnen zurzeit 75 Prozent der Bevölkerung in Städten. Das sind über 60 Millionen Menschen. Städte ziehen Menschen an, in der Welt insgesamt hat sich dieser Trend in Richtung 60 Prozent entwickelt. Das heißt, das Thema Stadt ist nicht nur in Deutschland, sondern generell von großer Wichtigkeit. Die einzelnen Kapitel dieses Themas stellen die Kommunen und uns alle mit unterschiedlichster Dringlichkeit vor nicht geringe Herausforderungen: demografische Entwicklung, Umweltverschmutzung, Verkehrsstrom, das soziale Miteinander, Zuwanderung, Energie- und Wasserversorgung und anderes mehr. Wie organisiert man diese Herausforderungen in und zu lebendigen Städten mit einem hohen Lebensniveau? Kulturell, technisch, ökonomisch? Die Fragestellungen wollen wir heute an zwei zentralen Initiativen deutlich machen. Da sind zum einen die Vorschläge, die die Experten der Nationalen Plattform Zukunftsstadt entwickelt haben und die sich niederschlagen in einer strategischen Forschungsagenda und Innovationsagenda. Zum anderen: Wir starten heute das Wissenschaftsjahr 2015 mit eben diesem Thema, dem Thema ‚Zukunftsstadt’“.

Zwei Jahre Vorarbeit

Mit diesen Sätzen ihrer Eröffnungsrede läutete Bundesforschungsministerin Johanna Wanka vor einigen hundert Vertretern aus Wissenschaft, Industrie und Medien im Berliner Bundesministerium für Bildung und Forschung das Wissenschaftsjahr 2015 ein. Seit dem Jahr 2000 richtet das BMBF zusammen mit der Initiative „Wissenschaft im Dialog“ die Wissenschaftsjahre aus. In jedem dieser Jahre steht eine volksnahe Wissenschaftsdisziplin im Mittelpunkt mit der Absicht, eine Plattform für den Austausch zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit zu bieten, beziehungs­weise die Öffentlichkeit in Forschung und Entwicklung einzubeziehen.

„Man kann diesen Prozess nur gestalten, wenn die Menschen ihn mittragen“, so Prof. Michael Krautzberger, Sprecher der „Nationalen Plattform Zukunftsstadt“. Das Wissenschaftsjahr mit bundesweit mehreren hundert Veranstaltungen, Gesprächsrunden und Ausstellungen soll auch dazu dienen, die „Best Practices“, das heißt die Lösungen, die einige Kommunen bereits für Probleme in ihren Städten gefunden haben, einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen, damit andere Kommunen mit einer ähnlichen Infrastruktur von diesen Lösungsansätzen profitieren. Die Veranstaltungen stehen im zentralen Veranstaltungskalender.

Das Wissenschaftsjahr 2014 befasste sich mit „Die digitale Gesellschaft“, 2015 nun betrachtet die mobile und immobile Welt dieser Gesellschaft. „Für die Zukunftsstadt brauchen wir Lösungen, teilweise sehr schnell. Forschung kann dazu wesentlich beitragen“, ist die Ministerin überzeugt. Das Bundesforschungsministerium hat zusammen mit dem Bundesumweltministerium sowie dem Wirtschaftsministe­rium die Initiative „Nationale Plattform Zukunftsstadt“ ins Leben gerufen. 100 Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft haben gemeinsam in den vergangenen zwei Jahren geforscht und diskutiert. Das Ergebnis ist eine strategische Forschungs- und Innovationsagenda (FINA), die zum Auftakt des Wissenschaftsjahres vorgestellt wurde. Die Empfehlungen der Experten orientieren sich an der Vision einer nachhaltigen, ressourceneffizienten und klimaangepassten Stadt der Zukunft.

Möglichkeiten der Teilnahme

Die „Initiative“, wie Johanna Wanka das Forschungsjahr nennt, ist also relativ kurzlebig, informiert eben genau ein Jahr. Die Forschungs- und Innovationsagenda dagegen drückt der Regierung einen fünf bis zehn Jahre gültigen Handlungskatalog in die Hand. Nachhaltigkeitsforschung im Stadtbereich bedeutet unter anderem, dass der Transformationsprozess in der Siedlungswasserwirtschaft einen wichtigen Stellenwert einnehmen wird. Damit ist folglich neben der Energie-, Heizungs- und Kältetechnik auch die Sanitärtechnik mit den in Angriff zu nehmenden Aufgaben Stofftrennung, Wertstoffrückgewinnung und dem Komplex „NASS“ Neuartige Sanitärtechnik angesprochen: Wie wird sich die Haustechnik der Zukunft auf die Herausforderungen der Stadt der Zukunft ausrichten?

Nebenbei:

Die Richtlinien zu den Förderschwerpunkten im Detail liegen noch nicht vor. Das Wanka-Ministerium wird sie im Sommer als Bekanntmachung veröffentlichen und die Gelder bereitstellen. Forschungsanträge sind dann willkommen.

Die zweite Möglichkeit der aktiven Teilnahme am Wissenschaftsjahr 2015 besteht für Unternehmen und Institutionen darin, eigene Veranstaltungen unter das Dach „Zukunftsstadt“ zu stellen und die Angebote in den Online-Veranstaltungskalender einzutragen oder sich an das Redaktionsbüro zu wenden.

Offenen Dialog anregen

Die Ministerin räumte Fehler in der Kommunikation von technischen und wirtschaftlichen Veränderungsprozessen ein. Der bürgerbezogene offene Diskurs, den unter anderem das jeweilige Wissenschaftsjahr anstrebe, sei deshalb unabdingbar: „Es geht darum, Risiken gleichermaßen wie Chancen zu beleuchten, die sich in der Entwicklung aufzeigen und auch die Ängste der Bürger ernst zu nehmen. Wir haben in der Vergangenheit in der Politik vielfach große Fehler gemacht, indem wir zuerst und fast ausschließlich die Chancen herausstellten.

Nehmen wir das Thema Globalisierung. Da war in allen Reden lange nur von der Notwendigkeit und den Möglichkeiten die Rede. Dass dieser Prozess auch Bedrohungen für den Einzelnen und Dinge enthält, die wir gar nicht so wollen und wir diese Seite in der Regel erst diskutieren, wenn sie auf dem Tisch liegt, ist verkehrt. Deswegen der Diskurs Zukunftsstadt, um auch über die Gefahren zu sprechen, um zu prüfen, wie sich aus technologischem Wandel Veränderungen ergeben. Es geht nicht nur um ökologisch perfekte Häuser, sondern auch um die Vernetzung dieser Strukturen. Es geht um Entsorgungsprobleme, wenn sich die Einwohnerzahl verändert, um Lärm, um Mobilitätskonzepte.“

Und um Veränderungen der Energieversorgung: „Wir haben vor 1 ½ Jahren ein Programm gestartet, das wir in 30 Städten mit Mitteln aus unserem Hause mit etwa 1 Million Euro pro Stadt die Stadtwerke und andere Akteure begleiten.“

Die Gemeinschaftsaufgabe

Denn mit der Energieversorgung seien Aufgaben verknüpft, die eine Stadtverwaltung alleine nicht zu lösen vermag, die angestrebte Wende sei eine Gemeinschaftsarbeit, in die Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und die einzelnen Bürger einbezogen werden müssten. Johanna Wanka verwies in diesem Zusammenhang – Stichwort Gemeinschaftsarbeit – auf den Hermes Award 2014, eine Auslobung der Hannover Messe und ihres Ministeriums.

Den hatte sie der SAG GmbH für ein Konzept überreicht, das einer kleinen Stadt oder einem Stadtteil gestattet, das örtliche Niedrigspannungsnetz mit ein­fachen Komponenten Smart Grid-fähig und flexibel aufzurüsten, also in ein intelligentes Netz zu verwandeln, „ohne größere Investitionen in die Leitungsstrukturen, mit herkömmlichen Produkten, die es jetzt schon im Handel gibt, aber in entsprechender Kombination, um etwa die starke Einspeisung abzufedern, wenn die Sonne intensiv scheint, oder starke Nutzungsphasen zu stabilisieren, wenn nachts sehr viele Elektroautos aufgeladen werden. Ein System, das mitwachsen kann, wenn sich die Bedürfnisse verändern.“

Als weiteres Beispiel verwies Johanna Wanka auf das BMBF-Programm „Energieeffiziente Stadt“, und zwar konkret auf die energieeffiziente Stadt Delitzsch bei Leipzig. „Die Aufgabe in diesem Programm besteht darin, passgenau für die wirtschaft­lichen und sozialen Möglichkeiten der Einwohner einzelner Städte Konzepte zum Energiesparen zu modellieren, um Reduktionen der Emissionen zu erreichen. Die Stadt Delitzsch belegt, dass man klimaschäd­liche Gase in den Städten deutlich reduzieren kann.“

Für Deutschland und die ganze Welt

„Ich bin überzeugt, dass das Wissen und die Erfahrung auch ausstrahlen können auf andere Städte, wobei diese Transformation bei uns in Deutschland natürlich die typische europäische Stadt betrifft. Wir sind aber, was Klimaschutz, Mobilität, Energieversorgung und viele andere Themen angeht, ein Land, dessen grundlegende Forschung der Entwicklung ebenfalls großen Megastädten, zum Beispiel in Afrika, dient. Dort ist ja allein die Versorgung mit Nahrung ein Problem. Wir sind, weil Stadtentwicklung so wichtig ist, in diesem Wissenschaftsjahr erstmals eine internationale Partnerschaft eingegangen, nämlich mit China. China hat etwa 65 Städte mit mehr als 4 Millionen Einwohnern und rund 20 Städte mit Einwohnerzahlen zwischen 2 Millionen und 4 Millionen.“

Es existierten vielfältige Forschungskooperationen mit dem Reich der Mitte. „Im Mittelpunkt dieser internationalen Kooperation stehen natürlich auch Fragen zur Wasserversorgung. In Wassertechnologie ist ja Deutschland mit ein Spitzenreiter. Auf einer Konferenz im Mai in Shanghai zur Nachhal­tigen Urbanisierung steht sie mit auf dem Programm.“

Symphonie der Stadt

„Das Wissenschaftsjahr ist ein Format, das viele erreichen will. Es oder wir wollen zum Mitmachen anregen. So werden wir mit Hilfe der Handys eine Aktion bundesweit zum Thema ‚Lärm in Städten’ und an unterschiedlichsten Orten anregen, um für diese Stadt ein Tableau zu erfassen, wo es besonders laut und leise ist. Eine solche Aktion wird uns Aufnahmen von Klängen einer Stadt liefern, uns eine individuelle Stadtsymphonie komponieren: Wie klingt eine Stadt?“

Haustechnik – das Strategische Leitthema 5

Die Experten der Nationalen Plattform Zukunftsstadt haben neun strategische Leitthemen (SLT) erarbeitet und geben jeweils zu diesen Leitthemen Forschungsempfehlungen. Diese Leitthemen befassen sich mit der soziokulturellen Qualität und urbanen Gemeinschaften, mit der Optimierung der Verwaltungsorganisation, mit der Erweiterung und dem Rückbau von Siedlungsräumen, mit Mobilität und Warenströmen in der Zukunftsstadt.

Strategisches Leitthema 9 „Daten, Informationsgrundlagen und Wissensvermittlung“ geht im Prinzip auf die Bereitschaft der Bevölkerung ein, den Umbau zu einer Zukunftsstadt zu akzeptieren und mitzugestalten. Zu den empfohlenen Forschungsarbeiten gehört die Analyse von Hemmnissen und Umsetzungsbarrieren bei der Einführung technischer Innovationen, Weiterbildungsangebote für Planer und Handwerker entsprechend den neuen Anforderungen, die Klärung dieser Eigentumsfrage: Wem gehören überhaupt die Daten und wer darf sie in welcher Form verwenden?

Das Strategische Leitthema 5 befasst sich konkret mit „Energie, Ressourcen und Infrastruktursysteme“. Dieser Punkt betrachtet auf allen Ebenen der räumlichen Stadtentwicklung – vom Gebäude über das Quartier und den Stadtteil bis hin zur Gesamtstadt – sämtliche Infrastruktursysteme, wie etwa Energieversorgung, Siedlungswasserwirtschaft, Informations- und Kommunikationssysteme. Mit SLT 5 ist also in großem Maße die Energie-, Versorgungs- und Gebäudetechnik angesprochen.

SLT 5 untergliedert sich in die vier Unterkapitel:

a) Energiebereitstellung

b) Energieverteilung

c) Energiespeicherung

d) Vernetzung und Management energierelevanter Stadtsysteme.

a) Energiebereitstellung

b) Energieverteilung

c) Energiespeicherung

d) Vernetzung und Management energierelevanter Stadtsysteme

Donnerstag, 20.08.2015