Trinkwasserhygiene

Rechnet Regierung die Nitratbelastung klein?

Unterschiedliche Messergebnisse schüren Kontroverse in BaWü

Mittwoch, 24.03.2021

Die grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg tut zu wenig gegen die Nitratbelastung im Grundwasser, klagen Fachverbände im Ländle.

Das ist ein schwerwiegender Vorwurf: „Damit wird klar, dass die Flächen zur Reduzierung der Nitratbelastung der Grundwasservorkommen klein gerechnet werden“, wirft Prof. Dr. Frieder Haakh der Landesregierung in Baden-Württemberg vor. Haakh ist Vorsitzender der Grundwasserdatenbank Wasserversorgung im Ländle. Und er schart Verbündete um sich: Der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfachs Baden-Württemberg e.V. (DVGW), der Verband für Energie- und Wasserwirtschaft Baden-Württemberg e.V. (VfEW) sowie der Verband kommunaler Unternehmen Baden-Württemberg e.V. (VKU) fordern gemeinsam ein entschlosseneres Handeln der Landesregierung gegen Nitrat im Grundwasser. Auch die Wasserversorgungsunternehmen in den besonders mit Nitrat belasteten „roten“ Gebieten unterstützen die Forderung.

Es stinkt, im Ländle. Beim (Nach)Messen der Nitratbelastung. Wer misst, misst Mist? Auf jeden Fall: jeder misst anders. Also misst etwas anderes, oder kommt zu einem anderen Ergebnis als andere.
Quelle: Martin
Es stinkt, im Ländle. Beim (Nach)Messen der Nitratbelastung. Wer misst, misst Mist? Auf jeden Fall: jeder misst anders. Also misst etwas anderes, oder kommt zu einem anderen Ergebnis als andere.

Umfangreicher Forderungskatalog

Stein des Anstoßes sind unterschiedliche Messergebnisse. Laut der Grundwasserdatenbank haben knapp sechs Prozent der Landesfläche in BaWü „einen großen Handlungsbedarf zur Reduzierung der Nitratbelastung des Grundwassers“, so die Verbände. Das laut Düngeverordnung angewandte AGRUM-Modell sieht das hingegen nur für 1,5 Prozent der Landesfläche. Aus dieser Diskrepanz speist sich der Vorwurf des „Kleinrechnens“.

„Unsere weiteren Forderungen sind die Ausweitung der ,roten Gebiete‘ entsprechend den vorhandenen Nitratmessdaten, eine spürbare Extensivierung der Landwirtschaft in den ,roten Gebieten‘ und in den Nitratproblem- und Nitratsanierungsgebieten, die zügige Umstellung von landwirtschaftlichen Betrieben auf Biolandwirtschaft sowie die Offenlegung von Zahlen, Daten und Fakten aller landwirtschaftlichen Betriebe zur Stickstoffdüngung der bewirtschafteten Flächen“, verlangt Dr. Tobias Bringmann, Geschäftsführer des VKU. Nur so könnten die Ressourcen der Trinkwasserversorgung nachhaltig geschützt werden. Das sei zudem der Verantwortung gegenüber der Umwelt und den kommenden Generationen geschuldet.

Das „zweigeteilte“ Deutschland in der Nitratbelastung zeigt diese Karte.
Quelle: DVGW
Das „zweigeteilte“ Deutschland in der Nitratbelastung zeigt diese Karte.

Hohe Kosten für Verbraucher

Ganz konkret geht es aber auch um Kosten. Und die sind nicht gering, wie ein Gutachten des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW) deutlich macht: „Ist eine Nitratentfernung im Rahmen einer technischen Aufbereitung für ein Wasserversorgungsunternehmen unausweichlich, so entstehen dabei sehr hohe Kosten für die Wasserversorger von derzeit bei mindestens 0,40 Euro/m³, heißt es da. Das erhöhe die Jahreswasserrechnung für ein Einfamilienhaus um 19 bis 49 Prozent. Ein Drei-Personen-Haushalt in einem Mehrfamilienhaus müsse gar mit Mehrbelastungen von 24 bis 61 Prozent rechnen! Das unterstreiche die politische Sprengkraft der Nitratproblematik, heißt es in dem Gutachten.

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