Genutzte Dachflächen: barrierefreie Regenentwässerung

Mittwoch, 15.02.2023

Bodentiefe Tür- und Fensteranlagen haben zugenommen, die Häufigkeit extremer Wetterereignisse leider auch.

Das Bild zeigt die „SitaDrain“-Kastenrinne.
Quelle: Sita Bauelemente GmbH
Wasserwächter bei barrierefreien Eingängen: Die „SitaDrain“-Kastenrinne, die auch die Spritzwasser­bildung reduziert.

Niedrigschwellige Eintrittsbereiche und anstauender Starkregen sind eine unglückliche Kombination. Eine Haupt- und Notentwässerung, die aktiv wird, ehe sich der Regen den Weg ins Gebäude sucht oder die Statik der Flachdachbereiche an ihre Grenzen bringt, ist wichtiger als je zuvor.

Barrierefreie Wohnkonzepte mit bodentiefen Tür- und Fensteranlagen bestimmen die heutige Architekturlandschaft. Entwässerungstechnisch betrachtet sind diese großflächigen Öffnungen im Gebäudekörper ein potenzieller Risikofaktor für Wasserschäden. Kommt es bei einem Starkregenereignis zu einer Überlastung der Regenentwässerung und zu einem Wasseranstau vor Fenstern und Terrassentüren, sind Wassereinbrüche vorprogrammiert. Bei großen Flachdächern stellt ein schwergewichtiger Wasseranstau zudem Abdichtung und Statik auf die Probe. Abgesehen davon, dass eine Notentwässerung lt. DIN 1986-100 Pflicht ist, bedeutet ihre richtige Berechnung und Positionierung aktive Schadensvorsorge.

Entwässerung mit barrierefreien Übergängen

Die Königsdisziplin bei der Entwässerung genutzter Dachflächen sind Terrassen und Balkone mit schwellenlosen beziehungsweise schwellenarmen Ausgängen (barrierefreie Übergänge). Sie sind nach den Flachdachrichtlinien Pkt. 4.4 (3) abdichtungstechnische Sonderlösungen, für die auch entwässerungstechnische Sonderlösungen gefunden werden müssen. Grundsätzlich ist diese Bauweise eine Sonderkonstruktion, die zwischen Planer, Ausführenden und Bauherrn gemeinsam abzustimmen ist.

Für einen Wasseranstau gibt es mehrere Ursachen. Oft reicht schon einer der vielzitierten Stark- oder Gewitterregen, um den Wasserspiegel auf Balkonen und Terrassen zwar nur temporär, aber blitzschnell ansteigen zu lassen. Im schlimmsten Fall gibt es einen Rückstau aus dem überlasteten Kanalsystem. Und manchmal ist einfach nur der Zulauf der Hauptentwässerung verstopft, eine Laubansammlung kann hier schon ausreichen, um die Ablaufleistung des Gullys zu vermindern oder ganz zu verhindern. Es steht außer Frage, dass eine Notentwässerung Pflicht ist.

Die DIN 18531, Teil 1, bezieht hier ganz eindeutig Stellung. Unter Punkt 6.6 „Dachentwässerung“ heißt es: „Bei Dachterrassen mit geschlossener Brüstung sind Notüberläufe so anzuordnen, dass bei Verstopfung des Ablaufs die Türschwelle nicht überstaut werden kann.“ Einen Lösungsansatz schildert DIN 18531-3: „Für barrierefreie Türanschlüsse und Anschlüsse mit verringerter Anschlusshöhe sind geeignete Maßnahmen zur Vermeidung von Spritzwasserbelastung und Stauwasser im Anschlussbereich, z. B. Entwässerungsrinnen mit Rostabdeckungen vorzusehen.“

Das Bild zeigt eine Grafik zu den Schadensfällen bei der Regenentwässerung von genutzten Dachflächen mit schwellenlosen/barrierefreien Ausgängen.
Quelle: Bauforschung für die Praxis, Band 97, Rainer Oswald, Ruth, Abel, Klaus Wilmes
Schadensfälle bei der Regenentwässerung von genutzten Dachflächen mit schwellenlosen/barrierefreien Ausgängen.

Statistik als Infoquelle

Hinterläufigkeit des Abdichtungsrandes am Schwellenprofil und Hinterläufigkeit des Abdichtungsrandes im Bereich der Leibungen, diese beide Schadensfälle stehen in der Statistik ganz oben. Statistiken, die die Hauptursachen der Schadensfälle sichtbar machen, liefern auch Informationen, wo bei der Prävention anzusetzen ist. Fehlende Gitterroste und Drainage, mangelhafte oder nicht vorhandene Entwässerung sowie ein unzureichendes Gefälle führen über kurz oder lang zum Wasserschaden. Ist das Wissen und ein Bewusstsein für diese Problematik vorhanden, lassen sich Regenwasserschäden gut vermeiden. Ein Gefälle kann beispielsweise durch die Neigung der Tragkonstruktion, durch eine zusätzliche Gefälleschicht (z. B. Gefälleestrich) oder durch eine Gefälledämmschicht erzielt werden.

Vier Anschlussbereiche

Je nach Anschlusshöhe an Tür- und Fensteranlagen (gerechnet ab Oberfläche des Belages/der Abdichtung von genutzten Dachflächen) unterteilen wir in vier unterschiedliche Bereiche. Klar ersichtlich ist der Trend zu barrierefreier Bauweise, die auch den Anforderungen an senioren- und behindertengerechte Zugänge entspricht. Mit der Reduzierung der Schwellenhöhen steigt die Lebensqualität der Bewohner, aber auch das Risiko von Wassereinbrüchen bei Extremwettern.

1. Bereich: Anschlusshöhe ≥ 15 cm: Der Klassiker, der dem Regen durch eine hohe Schwelle auch die größte Zugangssperre entgegensetzt. Der regelkonforme Anschluss nach DIN 18531 und Flachdachrichtlinie.

Grafik Anschlusshöhe kleiner/gleich 15 cm.
Quelle: Sita Bauelemente GmbH

2. Bereich: Anschlusshöhe < 15 cm und ≥ 5 cm: Ein regelkonformer Anschluss nach DIN 18531 und Flachdachrichtlinie, der aber schon Zusatzmaßnahmen, zum Beispiel den Einsatz eines Entwässerungsrostes, erfordert.

Grafik: Anschlusshöhe größer 15 cm und kleiner/gleich 5 cm.
Quelle: Sita Bauelemente GmbH

3. Bereich: Anschlusshöhe < 5 cm und ≥ 2 cm: Eindeutig eine Sonderkonstruktion. Es handelt sich hier um eine Konstruktion, die in Anlehnung an die DIN 18531 und die Flachdachrichtlinie geplant und ausführt wird. Diese bauliche Sonderlösung muss mit dem Bauherrn, Planer und Bauausführenden abgestimmt werden.

Grafik: Anschlusshöhe kleiner 5 cm und größer/gleich 2 cm.
Quelle: Sita Bauelemente GmbH

4. Bereich: Anschlusshöhe < 2 cm und ≥ 0 cm: Abdichtungs- und entwässerungstechnisch ambitioniert: Ein schwellenloser Türanschluss nach DIN 18040, der aktuell im Trend liegt. Rollstuhlbefahrbar, ohne Stolperschwellen, aber entwässerungstechnisch eine Sonderkonstruktion nach DIN 18531 und Flachdachrichtlinie. Auch der Regen hätte hier rein theoretisch ungehinderten Zugang. Daher gilt es, mit leistungsfähiger Entwässerungstechnik vor den Eintrittsbereichen, Risikovorsorge zu betreiben.

Grafik: Anschlusshöhe kleiner als 2 cm und größer/gleich 0 cm.
Quelle: Sita Bauelemente GmbH

Für jede Baumaßnahme gibt es heute geeignete Entwässerungslösungen, die Sicherheit in den barrierefreien und barrierearmen Bereich einbaut. Bauherren und Mieter schätzen auch die Minimierung der Spritzwasserbelastung, die Glas- und Fassadenflächen vor Verschmutzungen schützt.

Wenn die Richtlinien nicht reichen?

In jedem Fall müssen erst einmal die Forderungen der Flachdachrichtlinien nach Punkt 4.4 erfüllt werden: • „wannenförmiger Entwässerungsrost oder eine vergleichbare wannenbildende Konstruktion, gegebenenfalls beheizbar mit unmittelbarem Anschluss an die Entwässerung, • Gefälle (min. 2 %) der wasserführenden Ebenen, • Schlagregen- und Spritzwasserschutz durch Überdachung, • Türrahmen mit Flanschkonstruktion, • zusätzliche Abdichtung im Innenraum mit gesonderter Entwässerung.

Das Bild zeigt einen Flächengully unterhalb des Plattenbelags.
Quelle: Sita Bauelemente GmbH
Die Notentwässerungseinrichtungen können je nach Anforderung und baulicher Gegebenheit unterschiedlich platziert werden: hier ein Flächengully unterhalb des Plattenbelags.

Zusätzlich empfiehlt Sita weiterführende Maßnahmen, die die Sicher­heit auch bei extremen Regenereignissen erhöhen. Zum Beispiel:

⁃ Plattenbelag auf Stelzlager mit offenen Fugen > 3 mm.

⁃ Für alle Regenfälle: Auslegung der Notentwässerung für den kompletten Jahrhundertregen. Die Art der Entwässerung, die Anzahl der Abläufe und deren Anordnung sowie die Montage sind gesamtplanerisch zu betrachten. Sie müssen auch in ihrem Zusammenwirken und unter Berücksichtigung angrenzender Gewerke betrachtet werden.

⁃ Sicherheitsreserve: ein Freibord von 20 mm oberhalb der Druckhöhe der Notentwässerung.

⁃ Schutz durch ein Vordach.

⁃ Nachschauen, ehe sich Schäden zeigen. Es empfiehlt sich ein halbjährliches Wartungsintervall, bei dem die Anlage gereinigt wird und defekte, beziehungsweise fehlende Teile ersetzt werden können.

Die Grafik zeigt Variante A.
Quelle: Sita Bauelemente GmbH
Variante A
Die Grafik zeigt Variante B.
Quelle: Sita Bauelemente GmbH
Variante B
Die Grafik zeigt Variante C.
Quelle: Sita Bauelemente GmbH
Variante C
Die Grafik zeigt Variante D.
Quelle: Sita Bauelemente GmbH
Variante D

Vier gängige Varianten: Wenn die Gefahr besteht, dass sich die obere Entwässerungsebene zusetzen kann, ist Variante D als die sicherste Möglichkeit zu wählen.

Wenn die Praxis neue Leitlinien braucht

In Deutschland gibt es eine Vielzahl von Normen und Leitlinien, aber trotzdem immer noch Infolücken, die Planende und Ausführende mit ihren Fragen allein lassen. Dies gilt insbesondere für Planungs- und Ausführungsdetails bei Balkonen, Loggien und Terrassen – also die Anforderungen an die Entwässerung von Niederschlagswasser auf genutzten Dächern.

Mit der DIN 1986-100 wurden bereits im Jahr 2001 detailliertere Regelungen für die Regenentwässerung von flachen Dächern definiert. Seit 2016/2017 sind auch neue Forderungen nach den Flachdachrichtlinien, aber auch der DIN 18531 der Entwässerung bekannt. Diese Regelwerke flankieren die Regenentwässerung, ohne jedoch ins Detail zu gehen. Die beschriebenen Normen und Regelwerke präzisieren die Entwässerung, speziell im Bereich genutzter Dachflächen, nicht. Um der Praxis Rückhalt zu geben, entwickelte Sita ein werkseigenes Regelwerk, das unter www.sita-bauelemente.de, Stichwort „SitaRichtlinie“ heruntergeladen werden kann. Dieses Dokument, das kostenfrei auch per Post angefordert werden kann, soll die Infolücken schließen.

Die Grafik zeigt eie Entwässerungslösung für den barrierefreien Bereich.
Quelle: Sita Bauelemente GmbH
Barrierefreier Bereich: höchste Anforderungen an die Entwässerung.

Richtlinien-/Infoquellen-Übersicht:

• DIN EN 12056-3 – Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden

• DIN 1986-100 – Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke

• DIN 18531-1 bis 5 – Abdichtung von Dächern sowie von Balkonen, Loggien und Laubengängen

• Regelwerk des Deutschen Dachdeckerhandwerkes – Flach­dachrichtlinie und Merkblatt für Entwässerung

• DIN 18040 – Barrierefreies Bauen

• Schadensfreie niveaugleiche Tür­schwellen (Oswald, Abel, Wilmes)

• SitaFibel

• Broschüre Drainage der Sita Bau­elemente

• Broschüre Balkon- und Terrassenent­wässerung der Sita Bauelemente

Von Rainer Pieper
Prokurist und Technischer Leiter Sita Bauelemente GmbH

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