WDVS! Styropor! Brandgefahr! Alles Fake-News oder keine Fakten?

Als im Sommer in London der 24-geschossige Grenfell-Tower abbrannte und dabei 80 Menschen starben, hatten die Hersteller von Wärmedämmverbundsystemen (WDVS) sofort Feuer unter dem Dach: Der Brand konnte sich nur deshalb so verheerend auswirken, weil die (vorgehängte) Fassade aus Aluplatten mit PE-Kern überhaupt erst eine derart rasante Brandweiterleitung ermöglichte. Der Boulevard löste daraufhin hierzulande sofort Panikalarm aus. Denn die Schlussfolgerung aus der Londoner Katastrophe war simpel: Bei uns sind die Fassaden häufig mit einem WDVS (aus EPS; vulgo: Styropor) verklebt, weil das Volk der Dichter und Dämmer landauf landab so gerne Energie spart. Und Styropor brennt eben auch zackig ab, wenn es denn brennt.

Mittlerweile hat sich der Rauch etwas gelegt, die erste Aufregung auch, und es geht an die Beseitigung der medialen Kollateralschäden für die Dämmstoffindustrie. Beispielsweise durch Wissenschaftler und Dipl.-Ing. Werner Eicke-Hennig (Frankfurt). Der war mal Leiter der Hessischen Energiespar-Aktion und sagt: „Das Brandrisiko von Wärmedämmverbundsystemen mit Styropor geht nahezu gegen Null.“ Und weiter: „Durch eine brennende Fassade aus Polystyrol in Deutschland noch nie ein Mensch ums Leben gekommen.“ Im Übrigen sei das Brandrisiko von WDVS mit Styropor sehr klein „Lediglich bei 1,8 Bränden von rund 180.000 im Jahr brenne der Dämmstoff überhaupt mit.“

Soweit der Experte, der in seiner Conclusio einzelne Feuerwehrverbände und deutsche Medien“ kritisiert: „Selbst vermeintliche Experten sehen Styropor oft dort, wo es gar nicht ist. Sie prüfen nicht genau, was überhaupt gebrannt hat. Und die Medien behandeln das Thema sehr emotional, dabei werden oft Fakten über Bord geworfen.“ Mit DER Einschätzung befindet sich der hessische Experte in bester Gesellschaft, denn DAS kennt auch der US-amerikanische Präsident Donald Trump seit langem: Fake-News; nichts als Fake-News, alles nur Fake-News!!! Sehen, wo nichts ist. Nicht prüfen, was auf den Prüfstand gehört. Und Fakten werden von verantwortungslosen Journalisten so einfach über Bord geworfen wie unbotmäßige Boatpeople aus dem Schlauchboot von Marokko nach Lampedusa…

Also der Faktencheck:

„Das Brandrisiko von Wärmedämmverbundsystemen mit Styropor geht nahezu gegen Null.“ Stimmt. Irgendwas brennt immer vorher. Der Mülleimer neben der Haustür, oder das Essen auf dem Herd hinterm Küchenfenster, über das das Feuer dann auf die Fassade übergreift. Eicke-Hennig: „Ein WDVS als solches ist an der Brandentstehung nie beteiligt.“

„Durch eine brennende Fassade aus Polystyrol ist in Deutschland noch nie ein Mensch ums Leben gekommen.“ Stimmt. Es leben ja auch die wenigsten Menschen in der dann brennenden Polystyrol-Fassade oder werden von flammend abtropfendem Styropor erschlagen. Sterben tun sie am über die Fassade weiter geleiteten Brand in ihren Wohnungen – das ist wirklich was anderes. „Lediglich bei 1,8 Bränden von rund 180.000 im Jahr brenne der Dämmstoff überhaupt mit.“ Stimmt so wohl auch. 180.000 sind danach ALLE Brandfälle pro Jahr in D; also auch der Tannenbaum, der kommende Weihnacht in guter Tradition hier oder da mal wieder abfackelt. 1,8 von 180.000 sind der – siehe oben – Anteil der selber nicht, aber ansonsten mit-brennenden WDVS-Fassaden. Also quasi nichts…

Fazit: Faktencheck bestanden; Haarspalterei inklusive.

Im professionellen Qualitätsjournalismus gibt es auch eine kleine, aber feine „Haarspalterei“: Eine Aussage sollte nicht nur wahr, sondern auch wahrhaftig sein. „Wahr“ sind die drei ausgewählten Experten-Statements sicherlich alle. „Wahrhaftig“ auch, wenn ich den flüchtigen Durchschnittsleser (auch das eine feste Größe im Qualitätsjournalismus) als Maßstab nehme?

Dank an JOMA!

Dank gebührt an dieser Stelle übrigens ausdrücklich dem Dämmstoffwerk JOMA aus Holzgünz. Das stellt auch WDVS her – und ließ nicht nur die Nachfragen in Rekordzeit beantworten, sondern Dipl.-Ing. Werner Eicke-Hennig selber feststellen: „In den bekannten Brandberichten wird die Unterscheidung von a) Primär- oder Referenzbrand und b) Zusatzeffekt durch EPS auf der Fassade nie vorgenommen. Immer wird der eintretende Schaden dem WDVS zugeordnet, weil die Erscheinungen neu und deshalb beunruhigend sind.“ Stimmt! Und genau an dieser Stelle besteht zweifellos der Handlungs-, Untersuchungs- und Aufklärungsbedarf. Unaufgeregt, ohne Haarspalterei, ohne Blick auf mögliche Schlagzeilen – und vor allem mit einer zielführenden Strategie, wie die Vorzüge eines WDVS und die (häufig irrationalen) Bedenken der Menschen mit Angst vor Schadensfeuern so zusammengebracht werden, dass wir das eine tun, ohne das andere zu lassen…

Montag, 13.11.2017