In der Krise – die große Krise

Material- und Lieferengpässe bedrohen das Handwerk

Wenn die hohe Preisdynamik bei den Beschaffungspreisen dazu führt, dass bestehende Aufträge unwirtschaftlich werden…

… dann hat das Handwerk ein Problem. Aufgrund des Ukraine-Krieges sind nicht nur die Materialkosten gestiegen – auch die Lieferengpässe machen den Betrieben zu schaffen. Wie sehr, dass zeigen die aktuellen Ergebnisse einer Umfrage unter 3.147 Handwerksbetrieben, die jüngst vom Zentralverband Deutsches Handwerk (ZDH) gemeinsam mit den Handwerkskammern und den Fachverbänden zur geopolitischen Krisensituation befragt wurden.

Demnach ist das Handwerk von gestörten Lieferketten und gestiegenen Beschaffungspreisen nanch wie vor massiv betroffen, auch wenn die Zahlen leicht rückläufig sind: Nachdem im August 2022 noch 87 Prozent der Betriebe von diesen Problemen berichteten, waren es zuletzt mit 80 Prozent etwas weniger. Dennoch führen die hohen Preise bei den Betrieben dazu, dass bestehende Aufträge unwirtschaftlich werden. Laut Umfrage geben 66 Prozent an, dass sie mit Aufträgen faktisch Verluste erzielen. Bei 69 Prozent der Betriebe kommt es derzeit aufgrund fehlenden Materials und hohen Einkaufspreisen sogar zu Verzögerungen bei der Erfüllung von Aufträgen oder gar Auftragsstornierungen.

Die verschiedenen Handwerksbranchen trifft es aber unterschiedlich hart. Von unwirtschaftlichen Aufträgen infolge der gestiegenen Beschaffungspreise berichten vor allem die Bauhaupt-Handwerke (75 Prozent).

Vergabepraxis an neue Realitäten anpassen

Wer kann dagegen steuern? Die Politik beispielsweise. Und die hat die Auswirkungen der Lieferengpässe bei Materialien erkannt. Für bestimmte Baustoffe, für die Belarus und Russland maßgebliche Lieferländer sind, hat die Bundesregierung bei der Vergabe von Bauaufträgen im Bundesbau nochmals eine möglichst flächendeckende Nutzung von Preisgleitklauseln vorgegeben. Außerdem wurde den Beschaffern mehr Flexibilität bei der Verlängerung von Fertigstellungsfristen und stark gestiegenen Erstellungskosten eingeräumt. Für den Liefer- und Dienstleistungsbereich fehlen entsprechende Regelungen derzeit aber noch immer, kritisiert der ZDH.

Hier heißt es: „Für den überwiegenden Teil der öffentlichen Auftragsvergaben ist allerdings nicht der Bund, sondern sind die Länder und Kommunen verantwortlich. Flächendeckend scheinen Preisgleitklauseln noch immer nicht in der öffentlichen Vergabepraxis zur Anwendung zu kommen. Mit 13 Prozent berichten ähnlich wenige Betriebe wie zuvor davon, dass Preisgleitklauseln im Rahmen neuer Ausschreibungen angeboten wurden. 13 Prozent der Betriebe haben zudem die Erfahrung gemacht, dass Fertigstellungsfristen verlängert wurden, wenn Material nicht wie geplant verfügbar war. Lediglich 9 Prozent berichten von einer (anteiligen) Übernahme der gestiegenen Beschaffungskosten durch öffentliche Auftraggeber. Weitere 16 Prozent habe die Erfahrung gemacht, dass sich die Vergabepraxis überhaupt nicht den neuen Gegebenheiten angepasst hat.“

Freitag, 23.12.2022