Fond gegen Arzneimittel-Rückstände

Abwasserabgabe ist „Lizenz zur Verschmutzung“?

Notwendige Reinigungsstufen in Kläranlagen sollen von Verschmutzern finanziert werden – nicht von Verbrauchern, fordert der BDEW.

90 Tonnen des Schmerzmittels Dicloflenac werden in Deutschland pro Jahr verbraucht. Und sage und schreibe 60 Tonnen davon gelangen ins Abwasser – weil bei oraler Einnahme 60 bis 70 Prozent des Wirkstoffes über den Urin wieder ausgeschieden werden.

Beispielhaft zeigt der Wirkstoff Dicloflenac: Arzneimittel sind schon längst ein Problem für die Gewässer. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) stellte dazu die Ergebnisse einer aktuellen Studie vor. Anhand von Arzneimitteln mit diesem Wirkstoff wurde untersucht, wie eine verursachergerechte Finanzierung von Abwasserreinigungskosten in der Praxis aussehen könnte, so der Verband. Martin Weyand, Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser beim BDEW, erklärt dazu: „Künftig könnte die Belastung durch Arzneimittelrückstände noch deutlich zunehmen. Die Überalterung der Gesellschaft und der steigende Pro-Kopf-Verbrauch an Medikamenten führen zu einem entsprechenden Anstieg um bis zu 70 Prozent bis 2045. Die Folgen sind massive Kostenbelastungen durch die Einführung von zusätzlichen Reinigungsstufen für Kläranlagen.“ Daher fordert Weyand: „Diese Kosten dürfen nicht zu Lasten der Verbraucher gehen, sondern müssen von den verantwortlichen Herstellern getragen werden.“

Für die Studie wurden Spurenstoffe untersucht, die in einem repräsentativen Gebiet in Nordrhein-Westfalen aus Kläranlagen in die Gewässer gelangen. Die Ergebnisse zeigen laut BDEW: „95 Prozent der schädlichen Einträge entfallen auf zehn Spurenstoffe. Allein Arzneimittel mit dem Wirkstoff Dicloflenac verursachen 22,4 Prozent der schädlichen Einträge!“ Wolle man den gesamten Eintrag an Spurenstoffen verhindern, entstünden durch den Zubau zusätzlicher Reinigungsstufen in einem 30-jährigen Zeitraum Gesamtkosten von 5,85 Milliarden Euro. Nur für die Beseitigung des Wirkstoffs Diclofenac schlagen im gleichen Zeitraum 1,5 Milliarden Euro zu Buche, rechnet der BDEW.

Effiziente Lösung per Fond

Zur Lösung des Problems will der BDEW einen Fond auflegen, der die Hersteller von Arzneimitteln und anderen Stoffen verursachergerecht an der Finanzierung der deshalb erforderlichen zusätzlichen Reinigungsstufen beteiligt. Die Produzenten von Dicloflenac müssten demnach rund 20 bis 25 Prozent der Kosten tragen, eben die oben erwähnten 1,5 Milliarden. Bezogen auf den Umsatz des Jahres 2019 an Dicloflenac-haltigen Arzneien entspräche dies zusätzlichen Kosten von 16 bis 20 Prozent pro Jahr. Weyand erklärt dazu: „Das Fondsmodell ist eine ökonomisch und ökologisch effiziente Lösung. Sie bietet Herstellern Anreize, Einträge zu vermeiden oder Innovationen voranzubringen, um Rückstände in die Umwelt zu verringern. Nur wenn die Hersteller für die von ihnen verursachte Verschmutzung zahlen müssen, schaffen wir wirksame Anreize zur Verminderung von Einträgen.“

Gerade im Vergleich zur Erhöhung der Abwasserabgabe (die sei geradezu eine "Lizenz zur Verschmutzung") oder einer pauschalen Abgabe auf einzelne Produkte sei der Fonds-Beitrag pro Schadeneinheit ein überlegener Ansatz – er wirke wie ein Preissignal für die Emittenten.

Mittwoch, 26.01.2022