Vor „Corona“ sind wir alle gleich. Zumindest fast. Oder beinahe. Oder Beamter…

Mittwoch, 12.08.2020

Seit einem halben Jahr begleitet uns die Corona-Pandemie. Messen wurden abgesagt, in den Unternehmen alternative (und häufig überaus erfolgreiche) Formen der Kollaboration entwickelt, die durchaus nach Aufhebung von Maskenpflicht und Kontakteinschränkungen weiter bestehen könnten und sollten. Und sukzessive nähern sich so entsprechend die Prozesse und Abläufe inklusive der Produktivität bei den Herstellern wieder einem deutlich gesünderen Niveau an, als dies in den ersten Wochen des nahezu vollständigen Lockdowns der Fall war.

Allerdings – es gibt noch Ausnahmen. Ausnahmen, die mich ein wenig an „Animal Farm“ erinnern. Also an die allegorische Fabel des amerikanischen Schriftstellers George Orwell, der mit „1984“ bekanntermaßen auch die düstere Vision des Überwachungsstaates schrieb. An die „Farm der Tiere“ erinnert es mich aber deswegen, weil wir im “Konsequent die notwendigen Schutzmaßnahmen zur Verminderung einer Ausbreitung von Corona-Infektionen einhalten!“ im Prinzip ja alle gleich sind. Bis vielleicht auf die systemrelevanten Berufe, beispielsweise im Krankenhaus. Die sollten ja, wird erwartet, möglichst uneingeschränkt weiterarbeiten, um Versorgungslücken auszuschließen. Oder die Kassiererinnen beim Discounter in der abendlichen Rushhour (Standarddialog: „Frau Müllaa, 3. Kasseeee bitte!“ „Ist ja echt unglaublich, wie wenig Personal die hier haben. Und das, wo mein ganzer Wagen voll Gefriergut für die ,Hamster-Corona-Tiefkühltruhe‘ ist!!“) Oder das Fachhandwerk. Damit nach dem Rohrbruch bei Lieschen Müller nicht das komplette Haus zum Feuchtbiotop wird, „nur“ weil Meister Zange seine Notfalleinsätze aus Angst vor der „Corona“-Ansteckungsgefahr mal eben für die nächsten acht bis zehn Wochen aussetzt.

Die Autoindustrie fährt wieder hoch, das Handwerk hat fast komplett durchgearbeitet, die Haustechnik-Hersteller produzieren bestmöglich, beim Discounter wird von 7 bis 21 Uhr geliefert – und in vielen  Behörden wird mit ausgedünnter Serviceleistung und dem meisten Personal im Homeoffice akribisch darauf geachtet, dass zumindest von Amts wegen keine „Corona“-Ansteckungsgefahr ausgeht…
Quelle: pexels.com
Die Autoindustrie fährt wieder hoch, das Handwerk hat fast komplett durchgearbeitet, die Haustechnik-Hersteller produzieren bestmöglich, beim Discounter wird von 7 bis 21 Uhr geliefert – und in vielen Behörden wird mit ausgedünnter Serviceleistung und dem meisten Personal im Homeoffice akribisch darauf geachtet, dass zumindest von Amts wegen keine „Corona“-Ansteckungsgefahr ausgeht…

Nur: Wenn Meister Zange dafür dann auch seinen neuen Werkstattwagen anmelden will, in Hamburg, oder in Köln, oder hier auf dem Land – dann muss er mindestens sechs Wochen bis zum nächsten Termin warten. Weil die Mitarbeiter * innen bei der Zulassungsstelle ja überwiegend im Homeoffice sind. (Das Binnen-Sternchen ist an dieser Stelle übrigens ganz wichtig, weil man auf dem Amt selbst in schwierigen Zeiten politisch korrekt geschlechtsneutral unterwegs ist, oder so…) Aber zurück zum Thema. Die Mitarbeiter * innen bei der Zulassungsstelle sind also überwiegend im Homeoffice. „Wegen Corona, das müssen Sie schon verstehen!“ Was immer die Mitarbeiter * innen im Homeoffice auch machen mögen, denn einmal eingangsgestempelte behördliche Vorgänge dürfen das Rat- oder Kreishaus ja eigentlich nie-nicht verlassen…. „Wegen dem Datenschutz, das müssen Sie schon verstehen!“ Aber: Ich verstehe das, mit dem Personalmangel, wegen dem Corona-Gesundheitsrisiko, und der Ansteckungsgefahr, also dem allen. Auf jeden Fall leidet die Autoanmeldung vor Ort dadurch aber eben unter massivem Zeitverzug.

Genau wie übrigens die Ummeldung nach Umzug auf dem Einwohnermeldeamt – wobei die Pflicht zur fristgerechten Anmeldung natürlich trotzdem bestehen bleibt. Oder beim Bauamt, wo die schleppende Arbeit von Bauanträgen je nach Region durchaus mittlerweile zu Genehmigungsfristen von sechs Monaten und mehr führt. Sarkastisch könnte man hier aber wenigstens noch argumentieren, dass sich damit der Überhang von Baugenehmigungen für 740.400 Wohneinheiten (Stand: 2019; kumuliert, Quelle: Destatis) abbaut, für den angeblich die mangelnden Kapazitäten im Handwerk verantwortlich sind… Das Ergebnis bleibt sich aber gleich: Bis die Maßnahmen zur Einhaltung der „notwendigen Schutzmaßnahmen zur Verminderung einer Ausbreitung von Corona-Infektionen“ nicht nur in der Industrie und im Handwerk, sondern auch in den Verwaltungen wieder auf ein gesundes, funktionales Maß zurückgefahren sind, wird noch viel Wasser die Elbe, den Rhein und die Weser, meinetwegen auch noch die Donau oder die Ems, hinunterfließen. Denn vor „Corona“ sind eben nicht alle Menschen gleich. Und was auch immer die Pandemie noch an volkswirtschaftlichen Schäden anrichten wird: Die viel gepriesene deutsche Verwaltung – sie übersteht zwischen Eingangsstempel und Formblatt 74c auch diesen epidemischen Angriff auf die letzte Bastion detailgeregelten Seins, garantiert. Immun gegen alle Fährnisse des Lebens durch konsequente Absenz; was für eine Perspektive…

Von Eckhard Martin
Chefredaktion SanitärJournal
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