Sind alle Bedingungen erfüllt, liefert die Druckluftprüfung valide Ergebnisse. Voraussetzung ist einerseits eine sorgfältige Planung. Andererseits müssen sich die ausführenden Installateure dann bei der Durchführung sehr genau an die Vorgaben der DIN EN 806 halten. Die Erfahrung der TÜV SÜD-Sachverständigen zeigt allerdings, dass dies in der Praxis häufig nicht der Fall ist. Gründe dafür gibt es viele: Der Zeitdruck auf der Baustelle ist hoch, Mitarbeiter sind mit den Anforderungen der Norm nur unzureichend vertraut oder geeignete Manometer stehen nicht zur Verfügung. Um Zeit zu sparen, wird mitunter das gesamte Leitungssystem „in einem Stück“ geprüft und nicht in mehrere Teilabschnitte mit kleinem Volumen untergliedert. Oder auf das Abseifen der Verbindungsstücke wird verzichtet. Haben die Mitarbeiter nicht ausreichend Erfahrung, dann fällt es schwer, die Auswirkungen von Temperaturänderungen korrekt zu interpretieren. Es existiert somit eine Vielzahl an potentiellen Fehlerquellen. Sie alle erhöhen das Risiko für den Installationsbetrieb, eine tatsächlich vorhandene Leckage zu übersehen.
Wer haftet im Schadensfall?
Versicherer stellen aus diesem Grund die Aussagekraft der Dichtheitsprüfung mit Druckluft immer öfter infrage und verweigern die Schadensregulierung. Aus Sicht der Installationsbetriebe ist die Situation gewissermaßen paradox: Einerseits hat sich die Methode – auch aufgrund der Empfehlungen der SHK-Fachverbände – als Standard etabliert. Andererseits berufen sich auch die Versicherer auf die DIN EN 806 und bemängeln, dass die Dichtheit der Leitungssysteme nicht mit Wasser geprüft wurde. Dieser Einschätzung folgen immer häufiger auch die öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen sowie die Richter in den Gerichtsprozessen. Im ungünstigsten Fall bedeutet dies für die Installationsbetriebe, dass sie in vollem Umfang für den entstandenen Schaden haften.
Letztlich entzündet sich die Diskussion also an der oben genannten Formulierung der DIN EN 806. Demnach dürfen Luft oder Inertgase zur Prüfung eingesetzt werden, „sofern nationale Bestimmungen diese zulassen.“ Da die Norm jedoch diese nationalen Bestimmungen nicht näher spezifiziert, wird der Passus von den verschiedenen Akteuren unterschiedlich interpretiert.
Versicherer kritisieren ergänzende Regelwerke
Der Einschätzung, dass DVGW-Arbeitsblätter, VDI-Richtlinien oder ZVSHK-Merkblätter als „nationale Bestimmungen“ gewertet werden können, folgen die Versicherungsunternehmen nicht mehr ohne Weiteres. Der Hinweis, bei diesen ergänzenden Regelwerken handle es sich um bewährte, anerkannte Regeln der Technik, überzeugt zunehmend weder sie noch die unabhängigen Richter. Unter einer nationalen Bestimmung, die einer juristischen Prüfung standhält, ist vielmehr ein amtliches, abgestimmtes Dokument gemeint. Dies könnte beispielsweise ein nationales Gesetz mit einer zugehörigen Durchführungsverordnung sein, die wiederum auf allgemein anerkannte technische Regeln und Normen verweist. In Deutschland existiert jedoch eine solche nationale Bestimmung derzeit nicht.
Planungsbüros, Installateure und Bauunternehmen sind durch die unklare Rechtslage verunsichert. Sollen sie weiterhin den Empfehlungen ihrer Verbände folgen oder wieder auf Dichtheitsprüfungen mit Wasser zurückgreifen? Wie können sie die mit der Wahl des Verfahrens verbundenen Risiken realistisch abschätzen und tragen? Hier stehen sowohl die beteiligten Unternehmen, ihre Interessensgemeinschaften und Dachverbände in der Pflicht, klare und eindeutige Regeln zu erarbeiten, die ein höheres Maß an Sicherheit bei der juristischen Bewertung des Sachverhalts bieten.
Beide Methoden weiterentwickeln
Beide Methoden, die Dichtheitsprüfung mit Wasser und die Dichtheitsprüfung mit Druckluft, haben ihre spezifischen Vor- und Nachteile und sollten unabhängig voneinander weiterentwickelt und optimiert werden. Bei der Prüfung mit Druckluft wird es vor allem darum gehen, eine gleichbleibend hohe Qualität der Prüfungen und Messergebnisse zu gewährleisten. Dazu könnten unter anderem die Anforderungen und Rahmenbedingungen klarer definiert und auch eine intensivere Schulung der Fachkräfte sichergestellt werden. Dies würde die Akzeptanz der Methode langfristig erhöhen.