Trinkwasserhygiene

Temperaturverlauf in Stagnationsphasen in den Fokus nehmen

Freitag, 12.03.2021

Mit dem Temperatur-Stagnationszeit-Diagramm lassen sich trinkwasserhygienische Schwachstellen bereits in der Planung finden und die Temperaturhaltung in Stagnationsphasen überprüfen.

Die Systemwahl und Dimensionierung von Trinkwassererwärmung und -verteilung in Gebäuden wird allzu oft von dem ausschließlichen Blick auf die Nutzung der Installation geprägt. Der für die Einhaltung von Trinkwasser-Hygieneanforderungen viel wichtigere Blick auf Zeiten der Nicht-Nutzung bleibt dagegen häufig aus. Die Trinkwassergüte zu erhalten, auch während Stagnationsphasen, ist das Pflichtprogramm der Fachplanung und steht nach Bau und Inbetriebnahme im Sinne des Verbraucherschutzes durch die wiederkehrende Beprobung auf dem Prüfstand. Umso wichtiger ist es, bereits in der Planungsphase das Risiko des Legionellenwachstums für das gewählte Konzept zur Trinkwassererwärmung und -verteilung zu bewerten. Das hier vorgestellte Temperatur-Stagnationszeit-Diagramm ermöglicht Aussagen zu einzelnen Bereichen der Installation und hilft Planern, Schwachstellen einzuschätzen.

Quelle: Uponor
BILD 1: Schwachstelle Installationsschacht: Unter permanentem Wärmeeintrag durch die Warmwasserzirkulation erwärmt sich das „kalte“ Trinkwasser während jeder Stagnationsphase (zum Beispiel nachts) innerhalb von nur 3 Stunden (Dim 25x2,5 mm) auf über 25°C.

Für eine optimale Trinkwasserhygiene sind vor allem zwei Kriterien ausschlaggebend: der regelmäßige Wasseraustausch im gesamten Leitungssystem sowie die Vermeidung ungünstiger Temperaturbereiche in den täglichen Phasen der Zapfruhe in den Kaltwasser- und Warmwasserleitungen. Denn das Wachstum von Legionellen in Trinkwassersystemen wird im Wesentlichen durch lange Verweilzeiten des Wassers, also Stagnation in ungünstigen Temperaturbereichen von 25 bis 55 °C, begünstigt. Zu einem erhöhten Risiko für Legionellenwachstum kommt es dann, wenn beide Kriterien parallel auftreten.

Separater Schacht für PWC-Steigleitung

Ein Beispiel: Eine zu 100 Prozent gedämmte Kaltwasserleitung (PWC) in DN20, die neben Trinkwarmwasser (PWH) und -Zirkulationsleitungen (PWH-C) in einem Installationsschacht liegt, bleibt über Nacht für etwa acht Stunden in Stagnation. Nach der letzten Nutzung am Vorabend floss Trinkwasser mit 15 °C nach. Aufgrund der permanenten Wärmeeinwirkung der Warmwasserzirkulation liegt die Umgebungstemperatur im Schacht bei 29 °C. Die Temperatur der Kaltwasserleitung erreicht bereits nach fünf Stunden 25 °C. Bei längerer Abwesenheit, zum Beispiel 24 Stunden, und entsprechend fehlendem Austausch würde das Trinkwasser in der Leitung also 19 Stunden bei Temperaturen oberhalb 25 bis 29 °C stagnieren (Bild 1).

Quelle: Uponor
BILD 2: Separater Installationsschacht für die Kaltwasser-Steigleitung – der kosteneffizienteste und wirksamste Schutz vor Erwärmung der Kaltwasserleitung über 25°C.

Dieser Fall ist repräsentativ und dürfte in der Baupraxis und im Betrieb von Trinkwasser-Installationen recht häufig auftreten. Er zeigt, wie die aus Hygienesicht notwendige 60/55 °C-Temperaturhaltung in der Warmwasser- und Zirkulationsleitung für Verkeimungsrisiken in der Kaltwasserleitung sorgt. Auch wird deutlich, wie gleichzeitig ungünstige Temperaturbereiche und lange Verweilzeiten während normaler Zapfpausen und Nutzungsunterbrechungen für hygienisch schlechte Verhältnisse sorgen, wenn nicht planerisch frühzeitig – etwa mit der Installation der PWC-Leitung in einem separaten „Kaltschacht“ – gegengesteuert wird. So liegt die Umgebungstemperatur für die PWC-Leitung im separaten Schacht bei lediglich 22 bis 24 °C und das in der Leitung über den gleichen Zeitraum stagnierende Wasser erreicht den kritischen Temperaturbereich von über 25 °C nicht. Zwar ist der Stagnationszeit-raum gleich lang, allerdings fehlt der kritische Temperaturbereich, sodass das Risiko von Legionellenwachstum mit der „Kaltschacht“-Lösung deutlich minimiert ist.

Einschleifen der Zirkulation: Zirkulation innerhalb von Vor- oder Trennwänden gemeinsam mit PWC-Trinkwasserleitungen bringt hohe Umgebungstemperaturen und sorgt dauerhaft für Probleme bei der Kaltwasser-Temperaturhaltung.
Quelle: Uponor
BILD 3: Einschleifen der Zirkulation: Zirkulation innerhalb von Vor- oder Trennwänden gemeinsam mit PWC-Trinkwasserleitungen bringt hohe Umgebungstemperaturen und sorgt dauerhaft für Probleme bei der Kaltwasser-Temperaturhaltung.

Es geht also bei der Erhaltung der Trinkwassergüte häufig gar nicht – wie bei der Dimensionierung von Trinkwas-ser-Rohrnetzen – um die Betrachtung der Betriebsbedingungen, sondern vielmehr um einen kritischen Blick auf Stagnationsphasen und Zeiten der Nicht-Nutzung, die während des täglichen, durchaus bestimmungsgemäßen Betriebes auftreten können. Das Ziel: lange Stagnationszeiten in kritischen Temperaturbereichen vermeiden. So wird aus einer Trinkwasser-Installation im Stockwerk eines Mehrfamilienhauses üblicherweise nur etwa 30 bis 45 Minuten pro Tag Wasser gezapft. Für den Rest des Tages befindet sich die Installation in der Stagnation.

Von Matthias Hemmersbach
Uponor GmbH
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