Wo Schatten ist, muss es irgendwo auch Licht geben.

Freitag, 14.05.2021

Die ISH 2021 war zum ersten Mal voll digital. Ein (zweifellos unwillkommener) Meilenstein in der Historie der Weltleitmesse, der sich – genauso zweifellos – auf die künftige Strahlkraft (und generelle Konzeption?) dieser Branchen-Leistungsschau auswirken wird. Wie war es denn nun? Eine Betrachtung in der Rückschau…

Was ist, im Vorfeld, also ungefähr vor Jahresfrist, nicht alles rund um die anstehende ISH 2021 in Frankfurt am Main gesagt und geschrieben worden! Findet sie statt oder nicht, wird sie verschoben, abgesagt (erst ja bzw. dann nein) – es war das volle Programm dessen, was man auch ansonsten mittlerweile Pandemie-bedingt rund um Präsenzveranstaltungen gewohnt ist. Im Gegensatz zum Freiwilligen Feuerwehrfest am Spritzenhaus in Nieder­kleusheim (oder wo auch immer) ging es bei dieser Diskussion und der notwendigen Entscheidung allerdings um etwas andere Dimensionen. Finanziell auf jeden Fall, primär jedoch auf Kosten der Messegesellschaft und weniger aufs Budget der Aussteller bezogen. Aber noch viel mehr ging es um Organisatorisches. Denn mit einem Schlag waren – beim gänzlichen Aus- und damit Wegfall der ISH – die internationalen Aussteller eines maßgeblichen Kommunikationskanals zu ihren potentiellen und tatsächlichen Kunden beraubt gewesen. Der wurde zwar, gerne aufgrund der „kreativen“ Zählweise mancher Messe-Veranstalter bezüglich realisierter Frequenz, immer mal wieder infrage gestellt – aber darauf verzichten kann man wohl definitiv nicht. Das ist auf jeden Fall die erste Lehre aus der ISH digital 2021; so viel kann man schon mal vorwegnehmen.

Quelle: Messe Frankfurt

Präsenzmesse? Unersetzlich!

Warum? Dafür sollen hier vor allem drei Gründe genannt werden. Als Fazit aus unzähligen Gesprächen mit unterschiedlichsten Teilnehmern der virtuellen Leistungsschau und nach noch mehr unzählig verbrachten Stunden vor den verschiedensten digitalen Formaten der Anbieter:

  • Geschäfte werden immer noch zwischen Menschen gemacht. Dazu gehört mehr, als sich am Bildschirm per Webcam zu sehen. Die non-verbale Kommunikation, beispielsweise. Wie Körpersprache. Oder das Überwinden der Hemmschwelle, auf einen (realen) Messestand zu treten, bei dem ich – als virtueller Aussteller – keine Hilfestellung mehr geben kann.

  • Man kennt nur, was man kennt. Virtuell wurden vom „gemeinen“ Handwerksmeister also nur die Aussteller besucht, deren Namen ihm ohnehin ein Begriff waren. Die „unbekannten“ Aussteller, denen man beim Gang durch die Hallen zumindest einen Seitenblick gönnte, blieben beim virtuellen Meet-and-greet hingegen auf der Strecke. Der Handwerker verpasste so möglicherweise entscheidende Neuheiten, der Aussteller einen möglicherweise interessanten Neukontakt.

  • Digital bleibt zweidimensional. Den Fitting, das Ventil, den Wärmeübertrager anzufassen – die haptische Komponente bei der Vorstellung eines Neuprodukts ist augenscheinlich nicht zu unterschätzen. Die fehlte natürlich völlig. Oder zumindest fast, wenn nicht (wenige) Hersteller wenigen (ausgewählten) Interessenten ein Produkt zur Ansicht zuschickten. Das war aber die seltene Ausnahme.

Und das gilt unabhängig von der Frage, wie viel Mühe sich die Frankfurter Messe mit der Digitalisierung ihrer Leistungsschau gegeben hat und wie gut (oder schlecht) ihr das technisch gelungen sein mag. Hierzu gibt es Lobenswertes zu sagen, wie das recht stabil laufende System an sich, oder Kritisches, wie das ausdifferenzierte Matching beim ohnehin vergleichsweise aufwändigen Anmeldeverfahren, das manchen Handwerker erst verzweifeln und dann aus dem ganzen Thema aussteigen ließ.

Deutlich wurde so oder so: Die Kernkompetenz der Messegesellschaft liegt verständlicherweise in der Organisation einer örtlichen Veranstaltung mit vielen Ausstellern und zehntausenden Besuchern, also gewissermaßen dem Beherrschen eines chaotischen Systems. Die Kernkompetenz der Messegesellschaft liegt also verständlicherweise nicht im Virtuellen, im 1:1 der Begegnung und des Austausches. Vor allem dann nicht, wenn ein solches Konzept binnen kürzester Zeit aus dem Boden gestampft werden muss.

Digitale Messe? Notwendig!

Die ISH digital 2021 hat aber trotz aller Unzulänglichkeiten gezeigt: Es gibt perfekte Verlängerungen der Präsenzveranstaltung ins weltweite Netz. Die sollte und muss man künftig weiter ausbauen und noch intensiver nutzen, seitens der Messegesellschaft wie seitens der Aussteller. Denn hier können die Besucher „eingefangen“ werden, die ansonsten die lange (und teure) Reise aufs Frankfurter Messegelände scheuen würden. Das bestätigten nicht zuletzt jene Aussteller, die ihre durchaus von der ISH losgelösten Online-Veranstaltungen akribisch auswerteten und feststellten: Wir haben ja viele Zuhörer / Zuschauer erreicht, die wohl noch nie an einer unserer Präsenzveranstaltungen teilgenommen haben! Welche Überraschung, was für eine Freude…

Wie die virtuelle Verlängerung dann allerdings genau aussehen könnte, darüber lässt sich trefflich streiten. Denn der Kreativität der Aussteller (und ihrer nicht ausstellenden, aber zeitgleich online performenden Wettbewerber) waren schon jetzt kaum Grenzen der Fantasie gesetzt, mit welchen Formaten man sich an die hoffentlich netzaffine Planer- und Handwerkerschaft zu wenden beliebt. Am Rande: Dabei setzten nicht unbedingt die Großen die Maßstäbe! Ganz im Gegenteil. Manch Kleiner war deutlich präsenter; viele andere – die Einschränkung muss allerdings auch sein – sind jedoch auf der Strecke geblieben, weil ihnen zumeist die Manpower fehlte, um entsprechende Formate aufzusetzen. Geld allein kann wohl wirklich nicht alles richten…

Ein Fazit? Besser viele Fazits.

Dazu passend fiel auch das Fazit von ZVSHK-Präsident Michael Hilpert gegenüber seinen Mitgliedern aus, hier gekürzt wiedergegeben: „In den Zeiten der Pandemie war eine ISH digital besser als gar keine ISH. Aber mit Blick auf 2023 sollten wir konsequent daran arbeiten, dass die ISH wieder als Präsenzmesse stattfinden kann. … Es hat sich … bestätigt, dass eine digitale Messe im Ergebnis nicht mit einer Präsenzmesse verglichen werden kann oder diese gar ersetzen kann. … Gleichwohl waren das SHK-Handwerk als Besuchergruppe wie auch internationale Marktführer als Aussteller auf der ISH digital präsent und haben den Status der ISH als Weltleitmesse in schwierigen Coronazeiten bestätigt. Das war wichtig, um die Bedeutung der ISH als führende Plattform für den Informations- und Meinungsaustausch unserer Branche zu bewahren. … Wir konnten auf der ISH digital in den letzten Tagen viele Erfahrungen sammeln. Diese Erfahrungen werden auf eine ISH 2023 einzahlen, die, professionell ergänzt um digitale Bausteine, sicher wesentlich erfolgreicher sein wird, als alle ihre Vorgängerveranstaltungen.“

Ins gleiche Horn stieß im Übrigen Wolfgang Marzin, Vorsitzender der Geschäftsführer der Messe Frankfurt: „Natürlich kann eine digitale Veranstaltung die Kraft einer physischen ISH nicht ersetzen, aber darum ging es uns bei der Durchführung der ISH digital auch nicht. Wir wollten eine qualitativ hochwertige Netzwerkplattform an den Start bringen und die wichtigen Branchenthemen gebündelt abbilden. Ich denke, das ist uns gelungen.

Die Messe Frankfurt hat mit der Durchführung der ersten digitalen ISH deutschland- und europaweit ein Benchmark setzen können. … Wir konnten alle auf der ISH digital in den letzten Tagen viele Erfahrungen sammeln und haben immens viel gelernt. Diese Erfahrungen werden auf eine ISH 2023 einzahlen, die um digitale Bausteine ergänzt werden wird. Wir sind zuversichtlich, dass die ISH 2023 wieder in den Frankfurter Messehallen stattfinden wird.“

Und wer hat sich das alles eigentlich angeguckt? Die Messe Frankfurt sagt: „Auf der Besucherseite bildete das Handwerk erneut die stärkste Gruppe, aber auch sehr viele Planer, Ingenieure, Architekten und der Handel nutzten die Angebote.“

In der Summe liegt die Bewertung, der Erfolg der digitalen ISH also im Auge des Betrachters. Die einen finden, als Beispiel, 47.000 Besucher toll. Die anderen fragen sich, wohl nicht zu Unrecht, wo die wohl waren – oder ob jeder Klick mit Lidschlag kurzer Verweildauer auf der Homepage als Besucher galt? Das würde allerdings einer Fortsetzung der Drehkreuz-Zählweise von der Real-Messe gleichkommen – was der Chronist an dieser Stelle natürlich so gar nicht glauben mag. Selbst wenn ihm namhafte Aussteller bestätigen: „Kontakte waren zwar da, aber überaus überschaubar. Vor allem, wenn ich unsere Stammkunden durchgehe oder die Namen von Würdenträgern und deren Unternehmen, die auf der transparenten Besucherliste allesamt durch Abwesenheit glänzten.“

Sei´s drum: Die ISH digital 2021 ist spätestens jetzt eine gemachte Erfahrung. Und für die gilt ja bekanntermaßen: Woher sollen die denn kommen, wenn nicht durch die entsprechenden Probleme? Die Frankfurter Messegesellschaft hatte eines, durch die Pandemie. Sie hat es gelöst, mit der ISH digital. Und das, vor allem angesichts der Kürze der Vorbereitungszeit, nicht schlecht gemacht. Denn allen, die jetzt die vielen „Schatten“ sehen, sei gesagt: Das ist nur möglich, wenn es irgendwo auch Licht gibt. Man darf jetzt aber gespannt sein, wie die Lernkurve weitergeht…

Was die einzelnen Hersteller zur ISH (oder in deren Umfeld) so angeboten haben oder wie sie zur ISH digital Position beziehen, das hat die Redaktion natürlich auch gesammelt und stellt es – der virtuellen Vielfalt auf nur einer Ebene folgend – ohne Wertung und Ranking in dieser und der kommenden Ausgabe des SanitärJournals vor. Jede Menge weiterführende Infos und Links zu hochinteressanten Online-Angeboten gibt es außerdem unter www.sanitaerjournal.de sowie auf www.tga-contentbase.de, der zentralen Wissens- und Informa­tionsplattform für die gesamte SHK-Branche im Web. Einfach mal reinschauen – und jetzt viel Vergnügen beim Lesen!

Die ISH digital in Zahlen

Im Zentrum der Veranstaltung standen von Anfang an Vernetzung, Wissensaustausch, hochkarätiger Content, ein umfangreiches Rahmenprogramm sowie neueste Lösungen und Produktinnovationen der Aussteller. Während des Live-Events vom 22. bis 26. März 2021 wurden insgesamt 290 Stunden Content gesendet. Es fanden 277 Live- und Digital-Events statt, die von über 47.000 Zuschauern aufgerufen wurden. Auf der Plattform waren insgesamt rund 69.000 Teilnehmer – davon 42 Prozent aus dem Ausland – aktiv. Ergänzt wurde die Plattform um das ISH-Radio, das rund 29.000 Hörer begeisterte. (Quelle + Bilder: Messe Frankfurt)

Stimmen zum Fest

Ob die ISH digital 2021 ein „Fest“ war – sei’s drum; die Bewertung mag jeder für sich vornehmen. Umso interessanter dürfte aber trotzdem sein, welche Meinung andere Branchenkenner haben. Der Tenor auch hier, das sei vorweg genommen: Ein Ersatz für eine „richtige“ Messe, also die eine Woche Präsenz in Frankfurt mit viel zu viel Lauferei, unzähligen Schnittchen, schlechter Hallenluft und sehr vielen hochinteressanten, persönlichen Gesprächen, war es nicht.

Sagt beispielsweise auch Dallmer-Geschäftsführer Harry Bauermeister: „Wir sind so mutig an das digitale Format he­rangegangen, dass selbst die Stimmung in der Vorbereitungsphase schon fast wie bei einer ,richtigen‘ Messe gewesen ist. Der persönliche Kontakt und die 1:1-Kommunikation haben aber trotzdem gefehlt. Eine Fachmesse digital zu kopieren, klappt also tatsächlich nur in Ansätzen. Trotzdem sind wir dankbar für den Push, den die digitalen Formate dadurch auch bei uns bekommen haben. Wir werden dadurch künftig viel mehr Inhalte auf diesem Wege schneller und intensiver kommunizieren. Für die ISH selbst war es aber auf jeden Fall richtig und wichtig, diesen Schritt zur digitalen ISH zu gehen.“

Quelle: Messe Frankfurt

Mit der „fehlenden Atmosphäre“, die sich virtuell einfach nicht so herstellen lässt wie im realen Leben, und den Grenzen des digitalen Austausches stand Harry Bauermeister dabei im Übrigen nicht alleine. Ganz im Gegenteil. Immer wieder wurde das thematisiert, selbst in ganz anderen Formaten, wie durch Vaillant Geschäftsführer Marc Andree Groos beispielsweise im Rahmen einer Pressekonferenz oder durch Tece-Geschäftsführer Hans-Joachim Sahlmann im Anschluss an eine komplett eigenständig aufgezogene Neuheitenschau: „Das digitale Messe-Format hat einfach Grenzen!“ Oder anders: „Ein Ersatz für die reale ISH war das nicht“, so Gerhard Vogel, Group Vice President Sales Area Germany bei Wilo.

Aber genauso gilt: Es hat einen Schub gegeben, die Zukunft der Kommunikation wird und muss hybrid aufgestellt werden. Oder, wie es Kessel-Marketingleiter Reinhard Späth formulierte: „Wann machen beispielsweise Kundenseminare vor Ort Sinn, wann sollte man sie digital abhalten – diese Frage werden wir uns künftig viel häufiger stellen.“ Vor allem, weil man über die Online-Angebote gleichzeitig Zielgruppen erreiche, die man bis dato nicht oder nur mit geringer Teilnehmerzahl gewinnen konnte. Auch das, zeigt der Querschnitt der Gespräche, ist eine gemeinsame Erfahrung. Insofern kann man nur Michael Pohl, Verkaufsleiter Sanitärsysteme der Roth Werke, zustimmen, wenn er sagt: „Die ISH hat sich hier als Innovationsmotor der Branche bestätigt, denn letztlich hat sie für viele Hersteller den letzten Anstoß gegeben, virtuelle Formate auch als Chance zu begreifen.“

Entspannt zurücklehnen konnte man sich da, bildlich gesprochen, übrigens wohl am ehesten bei GF Piping Systems, denn die hatten mit ihrem Event Campus bereits Ende 2020 digital ein sauberes Format vorgelegt und gingen zur digitalen ISH gewissermaßen nur noch in die Verlängerung. Marketingleiter René Habers: „Wir haben das vorhandene Messe-Material als Basis genutzt und uns dann gefragt: Wie digital sind wir eigentlich wirklich? Daraus wurde dann mit externer Expertise ein wirklich professionelles Konzept, das wir jetzt weiter fortsetzen werden.“

Es lohnt sich also, für die Fachplaner und Fachhandwerker im Lande genauso wie für die Marketing-Spezialisten (zur Best-practice-copy…), digital im Livestream und virtuell am Puls der Zeit zu bleiben. Denn was aktuell auch jetzt noch, im Nachklapp zur ISH, im Netz geboten wird, ist sehenswert. Also auch hier: tga-contentbase.de antippen – und dann als Suchwort einfach nur „virtuell“ oder „interaktiv“ eingeben.

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