SHK-Systemtechnik

Undichte Trinkwasserleitungen im Neubau

Fachbeitrag: Dipl.-Ing (FH) Willibald Müller, Dipl.-Ing. (FH) Hermann Wagner

Mittwoch, 08.04.2020

Mehrere hundert Millionen Euro wenden Gebäudeversicherer in Deutschland jährlich auf, allein um Wasserschäden bei Neubauten zu regulieren.

Oft sind es Leckagen in den Trinkwasserleitungen, durch die Wasser entweicht und dann in Wände, Fußböden und Decken eindringt. Dabei lassen sich solche Schäden und die damit verbundenen Risiken verhältnismäßig einfach durch eine modifizierte Druckprüfung vermeiden.

Vor Übergabe an den Bauherrn und Inbetriebnahme des Gebäudes müssen ausführende Firmen im Rahmen ihrer Werkleistung prüfen, ob das Rohrleitungssystem dicht ist. Während früher ausschließlich mit Wasser abgedrückt wurde, werden heute auch vermehrt Verfahren angewendet, bei denen das Rohrleitungssystem mit Druckluft geprüft wird. Gleichzeitig haben sich auch neue Verbindungstechniken und Werkstoffe etabliert.

In der Praxis haben die Neuerungen unter anderem dazu beigetragen, dass recht häufig Leitungssysteme in Betrieb genommen wurden, die nicht dicht waren oder nach kurzer Zeit undicht wurden. Die Gründe dazu sind vielfältig und wurden hier bereits zu einem früheren Zeitpunkt erörtert1. Ebenso vielfältig und meist weitreichend sind die Folgen des resultierenden Wasserschadens: Mängel an der Bausubstanz, eine verspätete Inbetriebnahme – mitunter kombiniert mit Verdienstausfällen –, aufwändige und kostenintensive Sanierungsmaßnahmen während der regulären Nutzung, eine starke Minderung des Verkehrswerts oder Gesundheitsgefährdungen durch Schimmelpilze.

Oft tritt viel Wasser unbemerkt aus

Die unabhängigen Bausachverständigen von TÜV SÜD haben Gutachten erstellt über diverse Schadensfälle und für verschiedene Parteien – für Bauherren und Versicherungen ebenso wie in Gerichtsverfahren als vereidigte Sachverständige. Ein typischer Fall ereignete sich etwa bei einem Hotelneubau: Eine undichte Rohrverbindung in einer der oberen Etagen war der Grund dafür, dass ein großer Teil des fertig eingerichteten Gebäudes bis zum Rohbau zurückgebaut werden mussten.

Über längere Zeit war dort unbemerkt verhältnismäßig viel Wasser ausgetreten, das in die daruntergelegenen Etagen gelangt ist und mit der Zeit Decken, Wände und Fußböden durchfeuchtete. Lange konnte das Hotel nur eingeschränkt betrieben werden. Personal und Gäste mussten sich zudem mit langwierigen Bauarbeiten und lärmintensiven Trocknungsmaßnahmen arrangieren. Die Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation der Hotelbetreiber waren erheblich.

In einer neu gebauten Villa führte die gleiche Ursache dazu, dass über Monate Wasser unbemerkt in den Fußbodenaufbau gelangte. Bei rund 7 Millionen Euro Baukosten summierte sich nicht nur die Sanierung auf etwa 1,5 Millionen Euro. Zugleich hat sich der Verkehrswert um etwa 500.000 Euro gemindert, weil sich der desolate Zustand des sogenannten „Schimmelhauses“ schnell in der Region herumsprach.

Mit einer modifizierten Druckprüfung lassen sich Leckagen in Trinkwasserleitungen vermeiden.
Quelle: Martin
Mit einer modifizierten Druckprüfung lassen sich Leckagen in Trinkwasserleitungen vermeiden.

Leckagen unmittelbar vor Inbetriebnahme suchen

Diese und andere Fälle haben gemeinsam, dass die mangelhaft ausgeführten Rohrverbindungen bei der Druckprüfung nicht aufgefallen waren. Erst durch die Nutzung – und insbesondere die dabei zwangsläufig wiederholten Druckstöße durch das Öffnen und Schließen der Armaturen – haben sich verkantete oder nicht sorgfältig verpresste Rohrverbindungen mit der Zeit gelockert. Dass die Leckagen bei der Druckprüfung noch gar nicht vorhanden sind und erst im Betrieb entstehen, stellen die Sachverständigen von TÜV SÜD immer häufiger in ihren Gutachten für Bauherren und Versicherer fest. Das legt den Schluss nahe, dass die in der Regel angewandte Methode mit Luft als Prüfmedium mögliche Schwachstellen der heute üblichen Pressfitting-Verbindungen nicht zuverlässig aufdeckt. Gleichzeitig liefert auch das Abdrücken mit Wasser nicht mehr automatisch eine Garantie dafür, dass die Rohrverbindungsstücke dauerhaft dicht bleiben werden.

TÜV SÜD empfiehlt Installateuren und Bauherren daher, in den Verträgen für die Werksleistung eine vom Standard abweichende Druckprüfung zu vereinbaren: Dabei werden die Leitungen wie üblich während der laufenden Montage abschnittsweise mit Druckluft geprüft. Unmittelbar vor der Inbetriebnahme des Neubaus wird das Leitungssystem dann üblicherweise erstmals mit Wasser befüllt und zwingend gespült. Dieser Moment sollte genutzt werden, um die Druckprüfung mit Wasser nach DIN EN 806 zu absolvieren. Diese sollte dann jedoch nicht allein bei einem statischen Druck erfolgen, sondern ergänzt werden um moderate Druckstöße, die die spätere Nutzung simulieren.

Dieses sogenannte „Impulsspülen“ ist als Verfahren bereits eta­bliert und wird genutzt, um Verkrustungen in Bestandsanlagen oder mögliche Verunreinigungen in Neuanlagen zu beseitigen. Dem Wasserstrom wird beim Spülen kontrolliert und impulsartig Druckluft zugeführt. Daraus resultieren Scherkräfte und hohe Fließgeschwindigkeiten, die nicht nur auf die Verkrustungen, Ablagerungen und Verunreinigungen wirken, sondern auch auf die Rohrverbindungen. Wird der Impulsdruck unter dem späteren Netzruhedruck gehalten, wird die Intensität der später im Betrieb auftretenden Druckstöße gewissermaßen simuliert, sodass sich nicht sorgfältig verpresste Verbindungen während der Prüfung lockern. Gleichzeitig sind die Impulse moderat, sodass unzulässig hohe Druckstöße wirksam vermieden werden, die die Lebensdauer des Rohrsystems verkürzen würden.

So hält sich der Schaden in Grenzen

So können also unmittelbar vor der Inbetriebnahme und ohne Stagnation, die eine Verkeimung begünstigen könnte, die Leitungsabschnitte identifiziert werden, bei denen sich im späteren Betrieb die Rohrverbindungen lösen würden. Zugleich können die Auswirkungen der Undichtigkeit und damit der Schaden stark begrenzt werden: Fällt der Druck bei der Prüfung ab, können die ausführenden Installateure die Wasserleitung sofort absperren, sodass kein weiteres Wasser austritt. Die Menge, die bei dieser Variante austritt, beträgt meist lediglich einige Milliliter – zu wenig, um größere Schäden zu verursachen.

Den Mangel und den lokal begrenzten Wasserschaden können die Installateure deshalb mit verhältnismäßig wenig Aufwand beheben und die feuchten Bauteile leicht trocknen. Lediglich der Bereich um das undichte Bauteil muss freigelegt und nach der Reparatur instandgesetzt werden. Das wiederum führt zu einem wesentlich geringeren Gewährleistungs- und Haftungsrisiko für die ausführenden Betriebe, die auf diese Weise kostenintensiven Schimmel- und Schadenssanierungen mit Rückbau von Innenausbauten und Fußböden vorbeugen können. Denn im Zweifelsfall und vor Gericht liegt die Beweislast meist beim ausführenden Betrieb: Er muss glaubhaft belegen können, dass die Werksleistung erbracht wurde und das Leitungssystem keine Mängel aufwies. Wie oben geschrieben genügt es dazu unter Umständen nicht mehr aus, seine Argumente allein auf das allgemein anerkannte Regelwerk und die etablierten Methoden zu stützen.

1 Gesucht: Eindeutige Regelungen bei Inbetriebnahme von Trinkwasser­leitungen; von Dipl.-Ing. (FH) Hermann Wagner; veröffentlicht im Sanitärjournal – Sonderheft Installationstechnik – Oktober 2018 – Seite 66 ff.

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