Trinkwasserhygiene

Der große Wurf, die neue TrinkwV?

Montag, 24.10.2022

Im Januar 2023 tritt voraussichtlich die aktualisierte Trinkwasserverordnung in Kraft. Damit wird die Vorgabe der EU umgesetzt, die Trinkwasserrichtlinie in nationales Recht zu fassen.

Das Bild zeigt eine Hand, die Wasser auffängt.
Quelle: Grohe
Trinkwasser – das Lebensmittel Nummer 1! Am statistischen Warenkorb unserer Ernährung ist es mit zehn Prozent beteiligt.

Der Entwurf der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) übernimmt jedoch die Vorgaben der EU-Richtlinie nicht 1:1, sondern verschärft diese teilweise – unbegründet und zu Lasten der Akteure der Wasserwirtschaft sowie der Verbraucher, moniert ein Branchenverband.

73 Paragrafen – statt „nur“ 25 –, das ist wohl die deutlichste Veränderung im Entwurf der neuen Trinkwasserverordnung. Der Referentenentwurf zur Novellierung wurde Ende Juli vom Bundesgesundheitsministerium veröffentlicht und den Ländern, Gremien und Verbänden zur Kommentierung zugesandt. Grund für die grundlegende Neustrukturierung der TrinkwV ist die EU-weite Vorgabe, die Trinkwasserrichtlinie der EU in nationales Recht zu gießen. Vor zwei Jahren veröffentlichte die Europäische Union (EU) diese Trinkwasserrichtlinie. Das Ziel: Trinkwasser rund um die Uhr, für alle zugänglich und in bester Qualität.

Damit wurde ein seit Ende 2015 laufender Prozess erfolgreich abgeschlossen. Die neuesten Erkenntnisse der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Ergebnisse verschiedener Studien zu Themen wie Materialien in Kontakt mit Trinkwasser flossen in die Ausarbeitung der Richtlinien mit ein. Auch die Forderungen der ersten europäischen Bürgerinitiative „Right2Water“ nach einer sicheren Wasserversorgung und Abwasserbehandlung für alle EU-Bürger wurden berücksichtigt. Nicht zuletzt ist außerdem das Konzept des WHO Water Safety Plans (WSP) in den Richtlinien verankert. Bis Januar 2023 muss nun diese Richtlinie in nationales Recht überführt werden. Die wichtigsten Neuerungen: • Künftig wird es eine bundesweite Risikoabschätzung der Trinkwasser-Installationen geben müssen. • Auf die Wasserversorger kommen zusätzliche Informationspflichten gegenüber Verbrauchern zu, beispielsweise zu Preisen, Wasserverlustraten oder zum Thema Wasser­sparen. • Der bisher nur optionale Risikomanagementansatz gem. §14 (2a) TrinkwV wird verbindlich und teilweise erweitert. • Die neue TrinkwV verpflichtet die Betreiber zu Risikomanagement und Bewertung von Wasserversorgungsanlagen. • Für bestimmte Stoffe und Verbindungen im Trinkwasser werden neue beziehungsweise strengere Parameter festgelegt.

Das Bild zeigt eine Brunnenanlage.
Quelle: Eckhard Martin
Die EU-Trinkwasserrichtlinie fordert übrigens auch öffentlich zugängliche Trinkwasserzapfstellen. Deren Kosten sollen auf den Wasserpreis der Verbraucher aufgeschlagen werden. Nein, sagt der BDEW: Das müssen die Kommunen tragen …

Risikomanagement wird Pflicht

Zentrales Element der neuen TrinkwV wird das von den EU-Richtlinien als verpflichtendes Element verlangte Risikomanagement sein, auch im Einzugsgebiet der Trinkwasserversorgung, also die gesamte Wasserstrecke von der Gewinnung bis zum Verbraucher. Wie dieses Management praktisch realisiert werden kann, wird gerade in einem gemeinsamen Projekt des DVGW-Technologiezentrums Wasser (TZW) mit der bnNetze GmbH erprobt. Das Projekt mit Namen resiTrink! (Ressourcenschutz und Risikomanagement in der Trinkwasserversorgung) begann im Mai 2022 und ist auf drei Jahre angelegt. Gefördert wird es vom badenova-Innovationsfond mit einer Summe von knapp 100.000 Euro. „Am Beispiel eines Wasserwerks der bnNETZE wird eine Methodik für ein verzahntes Risikomanagement vom Einzugsgebiet bis zur Trinkwasserabgabe an den Verbraucher entwickelt und erprobt“, informiert das TZW. Und weiter: „Dabei werden neuartige Vorgehensweisen und Musterabläufe entwickelt sowie Schnittstellen identifiziert, um die beteiligten Behörden optimal einzubeziehen und den erforderlichen Daten- und Informationsaustausch sicherzustellen.“

Im Rahmen des Projektes resiTRINK! geht es auch um Antworten auf einige offene Fragen an den Schnittstellen zwischen Einzugsgebiet und Wasserversorgung. Denn: Bislang werden Ressourcenschutz und Trinkwasserschutz weitgehend getrennt geregelt. Dafür zuständig sind Untere Wasserbehörden, Gesundheitsämter und die Wasserversorger. Daher ist ein Ziel von resiTRINK!, die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Akteure zu optimieren.

Generell wird die neue TrinkwV bestimmen, „dass für die gesamte Prozesskette der Wasserversorgung vom Einzugsgebiet über Gewinnung, Aufbereitung, Speicherung und Verteilung bis zur Übergabestelle an den Verbraucher eine Risikoabschätzung sowie ein Risikomanagement durchgeführt wird“, so das TZW. Ausdrücklich, nach der EU-Richtlinie, sind die Wasserversorgungsunternehmen (WVU) verantwortlich für die Etablierung des Risikomanagements ab der Rohwassergewinnung. Das wird sich auch in der neuen TrinkwV widerspiegeln. Zudem sollen die EU-Mitgliedsstaaten für das Einzugsgebiet und die Hausanschlüsse ein Risikomanagement erstellen. Wer letztendlich dafür zuständig ist, muss bei der Umsetzung in nationales Recht von den Staaten selbst bestimmt werden.

Bezüglich des Einzugsgebietes offenbart sich dabei ein bekanntes Dilemma, so das TZW: Das Rohwasser verändernde Einträge von außen können die WVU nicht beeinflussen – dafür ist die Wasserbehörde zuständig. Das TZW sieht hier bedeutende Vorteile in einer gemeinsamen Zuständigkeit von WVU und Wasserbehörden für das koordinierte und zielgerichtete Risikomanagement im Einzugsgebiet.

Das TZW hat eine Methodik für die Bewertung von Wassereinzugsgebieten (Talsperren und Grundwasserressourcen) entwickelt, die sich in zahlreichen Projekten bewährt hat. Dabei erfolgt die Risikoabschätzung in zwei Stufen, so das TZW: • Schritt 1: Für alle aktuellen Nutzungen und Handlungen als Auslöser von Risiken wird anhand von Schadensausmaß und Eintrittswahrscheinlichkeit zunächst ein lageunabhängiges Ausgangsrisiko ermittelt. • Schritt 2: Die flächenbezogene Vulnerabilität (Verschmutzungsempfindlichkeit) wird in Abhängigkeit von Gebiets- und Standorteigenschaften beurteilt. Die Vulnerabilität ist bei Grundwasserressourcen ein Maß dafür, wie stark möglicherweise auftretende Gefährdungen durch den Schutz der Deckschichten sowie den Transport im Grundwasser abgemildert werden. Bei der Oberflächenwassernutzung ist sie vor allem ein Maß für den Anteil schneller Abflusskomponenten, die weitestgehend unbeeinflusst die Rohwasserressource erreichen können.

Das TZW entwickelt schon seit Jahren Methoden des Risikomanagements. So werden beispielsweise mit international anerkannten Standards wie der DIN EN 15975-2 bereits heute die Anforderungen der neuen TrinkwV erfüllt.

Das Bild zeigt eine Grundwasser-Messstelle.
Quelle: Eckhard Martin
Das TZW hat bereits heute bewährte Methoden der Risikoabschätzung von Rohwässern entwickelt, wie sie von der neuen TrinkwV gefordert werden.

Strengere Grenz- und Maßnahmewerte

Am gesamten Warenkorb der menschlichen Ernährung macht Trinkwasser einen Anteil von zehn Prozent aus. Die europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA hat, ebenso wie das Umweltbundesamt (UBA), für vier potentiell gesundheitsgefährdende Vertreter der Perfluorchemikalien (PFAS) deswegen strengere, extrem niedrige Maßnahmewerte vorgeschlagen. Diese im Alltag in vielen Produkten vorkommenden Chemikalien gelangen über die Nahrungskette und damit unter anderem über das Trinkwasser in den menschlichen Organismus. Deshalb wird die neue TrinkwV verschärfte Grenzwerte für die PFAS enthalten. Betroffen sind davon vor allem Rohwässer, die im Umfeld von Flughäfen, Industrieanlagen und Flüssen oder Kanälen gewonnen werden, so das IWW Zentrum Wasser. Sollten die Leit- oder Grenzwerte überschritten werden, hat der betroffene Wasserversorger aktiv auf seine Kunden zuzugehen und eventuell eine Trinkwasser-Verzehrsbeschränkung für gesundheitlich gefährdete Personengruppen zu empfehlen. Dann müssen zudem Aufbereitungsmaßnahmen, beispielsweise mit Aktivkohle, eingeleitet werden.

Verschärfte Frist für Blei

Im Rahmen der EU-Trinkwasserrichtlinie darf ab 2036 das Trinkwasser an der Zapfstelle des Verbrauchers maximal fünf Mikrogramm Blei pro Liter (µg/l) enthalten. Diese Frist wird im Entwurf der neuen TrinkwV sogar um zehn Jahre verkürzt, bis zum Januar 2026 – eine deutliche Verschärfung, wie der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW) moniert (siehe Kasten). Bis dahin wird der Parameterwert bei den derzeit geltenden zehn Mikrogramm belassen.

Das Ganze bedeutet eine ganze Reihe von Neuerungen für Unternehmer und Betreiber von Trinkwasserinstallationen. Die Wichtigste: Aufgrund der Parameteränderung für Blei im Trinkwasser werden einige Werkstoffe der Metall-Bewertungsgrundlage des Umweltbundesamtes (UBA) unter Druck geraten. Denn der Grenzwert von 10 µg/l Blei laut Trinkwasserverordnung steht nicht vollständig als Prüfwert für die Aufnahme eines Werkstoffes in die Positivliste des Umweltbundesamtes (UBA) zur Verfügung. „Es gilt der halbierte Grenzwert als Prüfwert (5 µg/l). Aktuell gilt es als wahrscheinlich, dass der Ansatz dieser 50-Prozent-Regelung auch für die europäische Bewertungsgrundlage herangezogen wird“, heißt es in der TWIN-Information des Deutschen Vereins der Gas- und Wasserwirtschaft (DVGW) vom Juni 2022. Damit würde der zukünftige Prüfwert für Blei von 2,5 µg/l vorgeschrieben werden. Die Konsequenz, so der DVGW: „Den aus der Veränderung des Parameterwertes resultierenden Prüfwert von 2,5 µg/l (unter Annahme der Beibehaltung der 50-Prozent-Regelung) können einige Kupferlegierungen nicht gesichert erfüllen. Daher wird die Absenkung des Parameterwertes für Blei die Verwendung von einigen derzeit zulässigen Kupferlegierungen aller Voraussicht nach einschränken, sodass diese für die Neuerrichtung oder die Instandhaltung von Trinkwasser-Installationen nicht mehr verwendet werden dürfen.“

Das Bild zeigt eine alte Trinkwasser-Installation.
Quelle: Eckhard Martin
Bislang war laut TrinkwV der Ausbau von Trinkwasserinstallationen aus Blei nicht zwingend vorgeschrieben – wenn die Grenzwerte eingehalten sind. Das wird sich ab Januar 2023 ändern.

Fazit

Der Referentenentwurf der neuen TrinkwV wird jetzt in diversen Gremien und Verbänden diskutiert und eventuell auch geändert und ergänzt werden. In einer ersten Stellungnahme vom 19. August 2022 beklagt beispielsweise der BDEW deutliche Verschärfungen und Belastungen in dem Entwurf, die über die Vorgaben der EU-Trinkwasserrichtlinie hinausgehen. Es steht daher zu erwarten, dass bis zum Inkrafttreten der TrinkwV im Januar 2023 noch einiges verändert wird.

Das Bild zeigt einen Mann, der eine Wasserprobe begutachtet.
Quelle: Dekra
Zahlreiche Grenz- und Maßnahmewerte für Stoffe im Kontakt mit Trink­wasser werden mit der neuen TrinkwV verschärft.

Stellungnahme des BDEW

Der BDEW veröffentlichte im August 2022 eine umfassende Stellungnahme zu dem Entwurf der neuen TrinkwV. Hier eine Auswahl der wichtigsten Punkte aus der Stellungnahme:

• Es ist ausschließlich eine 1:1-Umsetzung der europäischen Trinkwasserrichtlinie durchzuführen, • die fehlenden Maßnahmen für die Hersteller von bleihaltigen Armaturen, Wasserzähler, Loten usw. sind festzulegen, • für die zusätzliche nationale Verschärfung der Parameter für die PFAS ist ein standardisiertes Messverfahren vorzulegen, großtechnische Aufbereitungsverfahren sind sicherzustellen, • Risikobewertung und -management für Einzugsgebiete nicht auf die Wasserversorger zu verlagern, sondern im Verantwortungsbereich der dafür zuständigen Wasserbehörden zu belassen sowie • national zusätzliche Verschärfungen von Grenzwerten wissenschaftlich zu begründen, ihre Auswirkungen auf andere Bereiche zu überprüfen sowie längere Ausnahmeregelungen und Moratorien bis 2030 vorzusehen.

Die komplette Stellungnahme des BDEW findet sich unter www.bdew.de

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