Software & Organisation

Corona – Krise und Chance? Auf jeden Fall Veränderung

Dienstag, 23.06.2020

In jeder Krise steckt eine Chance! Gut – da klimpern gerade 5 Euro in das fette Phrasenschwein. Ist aber tatsächlich so, wenn man die Kreativität sieht, mit der die SHK-Branche den Laden am Laufen halten will. Und es bisher eigentlich auch ganz gut schafft.

Virtueller 3D-Rundgang durch die Badausstellung – das geht dank „Scireum“ auch zu Corona-Sperrzeiten. Und wird doppelt interessant durch verlinkte Zusatzinfos.
Quelle: Martin
Virtueller 3D-Rundgang durch die Badausstellung – das geht dank „Scireum“ auch zu Corona-Sperrzeiten. Und wird doppelt interessant durch verlinkte Zusatzinfos.

Um gleich mit einer Binse weiterzumachen: Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, muss der Berg eben zum Propheten kommen. Heißt es; erstmals wohl durch Francis Bacon irgendwann Mitte des 16. Jahrhunderts. An Aktualität verloren hat der Satz aber trotzdem nicht, wie die Corona-Krise zeigt. Denn insbesondere durch die lock-down-bedingte Schließung der Ausstellungen war bekanntlich auf einmal nichts mehr mit aktivem Verkaufen durch das verkaufsaktive Fachhandwerk. Stattdessen: Mühsames Beraten am Telefon, vielleicht noch der Mundschutz-geschützte persönliche Besuch beim Kunden, um ihm oder ihr mundgerecht die neuesten Küchen-Wannenrand-Gästebad-Armaturen immer im trauten Zwiegespräch vorzustellen – das war es dann aber auch schon. Nur bedingt zielführend, weil aufwändig und in den wenigsten Fällen daher wirklich gewinnträchtig. Fast immer aber irgendwie frustrierend, weil gleichzeitig beispielsweise in Nordrhein-Westfalen die Baumärkte öffnen durften. Und daselbst gab es eben Armaturen in Hülle und Fülle direkt zu sehen und zu befühlen und zu kaufen, derweil das Fachhandwerk in die Röhre schaute…

Virtuelle Ausstellungen von „Scireum“

Dass es aber künftig unabhängig von Corona viel häufiger wohl zukünftig noch einen verkaufsaktiven Weg zwischen den etablierten Welten gibt, das hat jetzt auf bemerkenswerte Weise eine vergleichsweise kleine Softwareschmiede aus dem Süddeutschen aufgezeigt. Präziser: die „Scireum GmbH“ aus Remshalden, 25 Kilometer östlich vor den Toren von Stuttgart gelegen. Groß geworden ist das 35 Mann-Unternehmen ursprünglich mit der Digitalisierung von Katalogen und beispielsweise der B2B Messaging-Lösung „Memoio“, Handelsinformationssystemen („Oxomi“) und E-Commerce-Plattformen für den technischen Großhandel („SellSite“). Die qualifizierte Verarbeitung und Bereitstellung von Daten hat man darüber schon bestens unter Beweis gestellt. Wieso also nicht jetzt noch einen Schritt weitergehen und auch das digitalisieren, was sich – eigentlich von Natur aus physische Präsenz bedingend – eben diesem Digitalisieren bislang entzog; nämlich der Besuch der Ausstellung beim Fachgroßhandel? Und zwar nicht in irgendeinem virtuellen Showroom bei einem nicht minder virtuellen Großhandel, dem nur das Logo als Individualisierungsmerkmal zugeordnet ist. Sondern digital-virtuell in genau der Ausstellung, die es auch tatsächlich vor Ort zu sehen gibt und gäbe, wenn denn nicht Corona einen Strich durch die dortigen Kojen gezogen hätte?

Der „Trick“ dahinter: das Datenverarbeitungs-Know-How der „Scireum“-Spezialisten auf der einen Seite, ihr Potential zur zeitgleichen Bereitstellung großer Datenmenge sowie des zugehörigen Transfers auf der anderen – und eine 360°-Abbildung der realen Ausstellung. Als digitales Foto kann die, sagt „Scireum“-Geschäftsführer Michael Haufler, im Prinzip jeder ortsansässige Fotograf „mal eben“ machen. Dann ab damit Richtung Remshalden, wo rechnergestützt aus dem Rundumbild eine hoch informative Ausstellungsbegehung wird: Per Mausklick daheim auf dem Bildschirm, aber mit inte­grierten Links zu einzelnen Produkten, und darüber wiederum eine Fülle an Hintergrundinformationen, deren Tiefe allein vom Auftraggeber bestimmt wird. Wer zum Beispiel nur den Namen einer Armatur, deren Hersteller und spezifische Leistungsmerkmale hinterlegen will – kein Problem. Oder soll es doch mal etwas mehr sein, bis hin zum Brutto-Brutto-Preis für den Endkunden? Bitte schön, alles nur eine Frage, inwieweit die Datenbank im Hintergrund freigeschaltet ist.

Der Vorteil liegt auf der Hand: Ändert sich die Ausstellung, wird nur diese Passage im Online-Auftritt aktualisiert. Ändern sich Produktdetails, ist die Anpassung genauso schnell und einfach gemacht. Und ganz großes Kino sind denkbare Erweiterungen hin zu „Kunden, die sich für diese Armatur interessierten, kauften auch…“-Empfehlungen. Oder zu „Ähnliche Produkte“-Angebote, die auf Wunsch eingespielt werden – und so entweder zu einer größeren Beratungsbreite gegenüber dem potentiellen Kaufinteressenten beitragen oder es unterstützen, wenn ein Fachgroßhandel seine Eigen- oder Handelsmarken auf Augenhöhe mit Hersteller-Marken präsentieren möchte, auch wenn der Kunde gezielt nach dem bekannten Anbieter A oder B gesucht hat…

Weil das Thema a) so interessant ist und b) Potential hat, die Ausstellungswelt nachhaltig zu ergänzen, hat die Redaktion des SanitärJournals dazu „Scireum“-Geschäftsführer Michael Haufler im Video-Chat interviewt. Den Beitrag gibt es in voller 17.01-Minuten-Länge und -Schönheit auf YouTube zu sehen.

Baut nicht nur virtuelle Großhandelsausstellungen, sondern ist auch ein interessanter Partner im virtuellen Interview: „Scireum“-Geschäftsführer Michael Haufler; im Gespräch mit SanitärJournal-Chefredakteur Eckhard Martin.
Quelle: Martin
Baut nicht nur virtuelle Großhandelsausstellungen, sondern ist auch ein interessanter Partner im virtuellen Interview: „Scireum“-Geschäftsführer Michael Haufler; im Gespräch mit SanitärJournal-Chefredakteur Eckhard Martin.

VDS: Abruptes Ende des Aufschwungs

Wie dringend notwendig es ist, sich unabhängig von eventuellen zwischenzeitlichen Lockerungen von Ausgangssperre und Ladenöffnungsgrößen Gedanken über die Ausgestaltung zukünftiger Geschäftsbeziehungen zu machen, zeigt im Übrigen schon der Blick auf eine Eilumfrage der Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft (VDS) bei Mitglieds- und Partnerverbänden aus April. Insgesamt rechnet der Dachverband nach zehn Wachstumsjahren in Folge 2020 mit einem „abrupten Ende“ des Aufschwungs. Jens J. Wischmann, Geschäftsführer des Dachverbandes: „In die Auswertung sind die Angaben von sieben der maximal neun möglichen Verbände eingeflossen. Da dadurch die drei Marktstufen Industrie, Fachgroßhandel und Fachhandwerk repräsentiert seien, können die Resultate als aussagefähig für die gesamte Branche gelten.“

VDS-Vorsitzende Andreas Dornbracht rechnet fest damit, dass der kumulierte Jahresumsatz des Wirtschaftszweiges von zuletzt rund 25 Mrd. Euro 2020 „kräftig ins Minus rutscht“. Auf eine „gewisse Stabilisierung“ lasse in Deutschland die Bedeutung der Branche hoffen, die unter anderem eine sichere Wasserversorgung gewährleiste. Im Übrigen spiele der Sanitärbereich unter Hygiene- und Gesundheitsaspekten auch generell eine positive Rolle. Diese Tatsache könne in der „zunehmend dramatischeren Situation“ eventuell ebenfalls ein wenig helfen.

Beim Blick auf die generelle Badkonjunktur 2020 (ohne Corona-Effekte) liefere die Branche zwar heterogene, aber mehrheitlich skeptische Prognosen. Die Einschätzungen reichten von „eher positiv“ bis „eher negativ“. Für Dornbracht sind jedoch die „massiv ansteigende Verbraucherverunsicherung und die daraus resultierenden Gefahren für Kaufkraft und -neigung schwere Hypotheken für die kurzfristige Entwicklung“. Mittel- und langfristig müsse sich die Branche zudem auf starke Veränderungen im Informations- und Investitionsverhalten der Bevölkerung einstellen. Dabei sei auch die VDS als Dachverband gefordert.

Kommt das noch einmal wieder – dieses Schaulaufen des „Größer / Schöner / Spektakulärer“ der Hersteller auf den Fachmessen im Lande? Mit den teilweise so wunderschön kreativen Inszenierungen, die Produkte erst wirklich erlebbar machen wie hier, 2015 auf der GET Nord?
Quelle: Martin
Kommt das noch einmal wieder – dieses Schaulaufen des „Größer / Schöner / Spektakulärer“ der Hersteller auf den Fachmessen im Lande? Mit den teilweise so wunderschön kreativen Inszenierungen, die Produkte erst wirklich erlebbar machen wie hier, 2015 auf der GET Nord?

Kommunikation sortiert sich neu

Wie schnell und deutlich sich andere Marktteilnehmer dazu bereits in Position gebracht haben, zeigt im Übrigen das fast schon inflationäre Angebot an „digitalen Messen“. Während sich die etablierten „analogen“ Regionalmessen noch vom Prinzip Hoffnung nähren und beispielsweise in Essen an der Verschiebung in den Herbst festhalten oder sie in Nürnberg gleich auf die turnusmäßig nächste Veranstaltung in 2022 „vertagt“ haben, gerieren sich im Netz unterschiedlichste Anbieter digitaler Warenpräsentationslösungen als mögliche Alternative zu den etablierten Messeplatz-Hirschen.

Dass es dabei des Öfteren weder mit der Qualität der digitalen Aufbereitung noch mit der tatsächlichen Reichweite wirklich weit her war und ist – sei´s drum. Hier zählt augenscheinlich das Klappern, das traditionell zum Handwerk gehört und sich erst perspektivisch daran messen lassen muss, ob der damit verbundene Aufwand sich letztlich für die Teilnehmer aus der SHK-Markenwelt wirklich ausgezahlt hat. Manche Bilanz dürfte dann zweifellos darin münden, dass er zwar tatsächlich deutlich geringer war als bei einer stationären Messe, für das Ergebnis aber immer noch viel zu hoch…

Sollte das wirklich die Zukunft der Fachmessen (eine Szene 2018 aus Nürnberg) sein: Großzügige Ausstellungsflächen, die durch freien Raum wirken, nicht  minder großzügige Wandelgänge, auf denen sich die wenigen Besucher verlieren – und über allem der einende Frust über hohe Kosten und mangelnde Kontaktzahlen?
Quelle: Martin
Sollte das wirklich die Zukunft der Fachmessen (eine Szene 2018 aus Nürnberg) sein: Großzügige Ausstellungsflächen, die durch freien Raum wirken, nicht minder großzügige Wandelgänge, auf denen sich die wenigen Besucher verlieren – und über allem der einende Frust über hohe Kosten und mangelnde Kontaktzahlen?

Besonders einfach hat es in diesem Zusammenhang, naheliegenderweise, die „XR Expo“, die Ende Juni zum vierten Mal in Stuttgart stattfinden soll(te). Die Neuheitenschau mit den Themen Virtual, Augmented und Mixed Reality, die über das „XR“ die Verknüpfung virtueller und Echtwelt-Umgebungen und -Realitäten schon im Namen führt, wird schlankweg – ins Internet verlegt, findet dort wie geplant am 25. und 26. Juni 2020 statt. Mithilfe einer interaktiven Event-App können dann Aussteller und Besucher an der XR Expo virtuell teilnehmen und durch einfache Web-Streams bis hin zu immersiven kollaborativen XR-Umgebungen neue Erfahrungen sammeln, sagen die Veranstalter. Das Tech-Event biete sowohl Expo als auch Kongress für professionelle Anwender aus den Bereichen Industrie, Architektur, Medizin, Handel und Handwerk. Wer mehr wissen will, kann sich unter www.xr-expo.com einklinken.

Wie dringend nötig die aktive Auseinandersetzung mit solchen Formaten sowohl für potentielle Messe-Aussteller wie Messe-Besucher, noch mehr aber die Messe-Veranstalter wird, macht in diesem Zusammenhang eine Mitteilung des Bauriesen Schüco deutlich. Der Spezialist für Fenster-, Tür- und Fassadensysteme sagte bereits Ende April (!) die Teilnahme an der Weltleitmesse „Bau“ im Januar kommenden Jahres (!!) in München ab: „Seit Jahrzehnten stellt Schüco auf der BAU in München, der Weltleitmesse für Architektur, Materialien und Systeme, aus. Mit über 2.400 m² Ausstellungsfläche und über 20.000 Besuchern gilt die Präsenz des Unternehmens auf der BAU traditionell als erfolgreicher Besuchermagnet. Bereits jetzt liegen mehr als sechs Monate Arbeit hinter dem Projektteam, um den deutschen und internationalen Gästen auch 2021 wieder ein unvergessliches Besuchserlebnis zu bieten.

Gleichzeitig befindet sich die Welt durch die Corona-Pandemie in einer noch nie dagewesenen Ausnahmesituation. Ob diese Situation im Januar 2021 einen eindrucksvollen Messeauftritt wieder zulassen wird, kann heute nicht hinreichend sicher beantwortet werden.

Deshalb hat sich Schüco schweren Herzens gegen einen Messeauftritt auf der BAU 2021 entschieden. Der frühzeitige Beschluss schafft gleichzeitig Kapazitäten für Projekte und Themen, mit denen das Unternehmen seine weltweiten Partnerbetriebe in der Krise und danach aktiv unterstützen wird.“

Zwar in gesetzten Worten, zugleich aber kaum unmissverständlicher, kann eine Absage nicht nur an eine Veranstaltung, sondern eigentlich an ein etabliertes Veranstaltungsformat generell kaum sein…

Dies betrifft natürlich auch die IFH-Intherm, die in diesem Frühjahr in Nürnberg alle Blicke aus der SHK-Szene auf sich ziehen wollte. Mit frischen Ideen und innovativen Produkten. Eine kleine Auswahl davon stellt das SanitärJournal im Folgenden vor. Ganz klassisch in der Printversion, aber – dem Trend folgend – natürlich auch online unter www.sanitaerjournal.de.

Von Eckhard Martin
Chefredaktion SanitärJournal
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