Immanuel Kant und die steigenden Baukosten

Bremst Energiewende Neubau aus?

Mittwoch, 14.03.2018

In postfaktischen Zeiten findet sich für jede Meinung, jedes Argument die passende Studie. Die scheinen heutzutage mehr denn je zum Untermauern des eigenen Standpunkts als zum Finden der Wahrheit beauftragt und bezahlt zu werden… Beispielsweise bei – Baukosten!

Warum steigen die Baukosten seit dem Jahr 2000 überdurchschnittlich stark? Nämlich um rund 36 Prozent, die allgemeinen Lebenshaltungskosten hingegen „nur“ um 25 Prozent. Treibt das knapper werdende Bauland die Preise? Vielleicht die gestiegenen Ansprüche der Käufer/Mieter an Ausstattung und Haustechnik? Oder Vater Staat mit seinen Verordnungen, Gebühren und Steuern – zumal im Gefolge der Energiewende?

So oder so – die bekannten (und befürchteten) Folgen dieser asymmetrischen Kostenexplosion sind steigende Mieten und eine hinter der Nachfrage her hinkende Bautätigkeit.

Fesselt zu viel Staat den dringend nötigen Wohnungsbau?
Quelle: Martin
Fesselt zu viel Staat den dringend nötigen Wohnungsbau?

Wes Brot ich ess, des Lied ich sing…

Tatsächlich finden sich für jede mögliche Ursache Argumente. Aktuell tritt der Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE) mit einer selbst beauftragten Studie auf den Plan, deren Fazit – überraschenderweise? – das hehre Ziel des Dachverbandes unterstützt, nämlich „100 Prozent Erneuerbare Energie in den Bereichen Strom, Wärme und Verkehr“. Als rühriger Lobbyist schlägt der BEE jetzt kräftig die Werbetrommel: Der Anteil der energiebedingten Mehrkosten an den gestiegenen Baukosten seit 2000 sei als gering einzuschätzen – gerade mal sechs bis sieben Prozent. Daher sollten die „aktuell geltenden energetischen Anforderungen für Neubau und Bestand angehoben und nicht verwässert werden“, fordert Dr. Peter Röttgen, Geschäftsführer des Verbandes.

Das kann man auch anders sehen: Die Mehrkosten je Neubauwohnung liegen bei 24.000 Euro, seit dem Jahr 2000. Verursacht ausschließlich durch die Politik - konkret durch ordnungsrechtliche Vorgaben, kommunale Auflagen, Gebühren und Steuern. Auf diese Summe kommt die Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V. (ARGE) in einer Studie aus dem Jahr 2015. Größter Preistreiber seien die Baukosten rund um die Energie, so die ARGE weiter. Inklusive der Änderungen durch die Energiesparverordnung (EnEV) ab 2016 läge der Kostenzuwachs bei 45 Prozent. Die ARGE forderte von daher eine politische Kehrtwende: „Es ist unausweichlich, maßgebliche Kostentreiber zu begrenzen und die Rahmenbedingungen für das Bauen im Allgemeinen zu verbessern.“

Es scheint, als verliefen die Fronten zwischen wirtschaftlich vertretbaren und technisch machbaren Lösungen einerseits und weltverbesserisch eiferndem Streben andererseits. Jede Seite hat stichhaltige Argumente, untermauert mit mehr oder weniger korrekten Studien und Berechnungen. Und der Bauwillige, egal ob Investor oder privater Häuslebauer, sitzt zwischen allen Stühlen… Da hilft eventuell praktische Philosophie: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ (Immanuel Kant)

Kostenentwicklung für den Wohnungsbau seit 2000 laut Studie vom BEE.
Quelle: BEE
Kostenentwicklung für den Wohnungsbau seit 2000 laut Studie vom BEE.

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