Bei der chemischen Desinfektion war eine solch lockere Einstellung hingegen eher die Ausnahme. In ihrem Kontext zitierte jeder geradezu reflexartig, gepaart mit einer ernsten Miene und erhobenem Zeigefinger, den Begriff des Minimierungsgebotes aus dem Infektionsschutzgesetz. Aber diese Grundeinstellung sollte spätestens seit dem Arbeitsblatt W 557 jetzt auch bei der Desinfektion mittels Hitze an den Tag gelegt werden. Wenn nicht dem Wortlaut nach, so doch zumindest nach dem Geiste. Denn so, wie bei jeder anderen Desinfektionshandlung, sollten auch vor einer thermischen zwei Vorbedingungen erfüllt sein:
- Im Rahmen einer mikrobiologischen Untersuchung des Trinkwassers sollte eine Kontamination detektiert worden und
- alle anderen Maßnahmen zur Beseitigung der Kontamination wie betriebs- und bautechnische Maßnahmen gescheitert sein.
Was man aber als zumindest gleichbedeutend anmahnen muss, ist die Nachuntersuchung, also die Notwendigkeit der Kontrolle der Wirksamkeit dessen, was da passiert ist oder eben auch nicht passiert ist. Eine solche hat es zumindest im Zusammenhang mit der „Legionellenschaltung“ in der Regel nicht gegeben, bei der nicht selten ohne Sinn und Verstand regelmäßig am Mittwochabend um 18 Uhr der Speicher aufgeheizt und eventuell noch kontrolliert wurde, ob aus jeder Zapfstelle auch mindestens drei Minuten ein mindestens 70 °C heißes Wasser ausgelaufen ist. Die Resultate und Folgen sind weitestgehend im Dunkeln des Desinteresses geblieben. Eine interessante Studie, die wir seinerzeit mit einer bekannten Uni durchgeführt haben, hat sehr eindrucksvoll die Folgen belegt. Die regelmäßigen thermischen Behandlungen der Trinkwasser-Installation wurden im Rahmen dieser Studie mit mikrobiologischen Untersuchungen begleitet. Dabei wurde die von uns vermutete Kausalität zwischen regelmäßigem Hitzeangriff und Zunahme der Kontamination quasi beweisführend belegt.
Erfolge überprüfen und belegen
Insofern sollte es Konsens sein, dass eine thermische Desinfektion, so sie die Kriterien einer allgemein anerkannten Regel der Technik erfüllen will, einerseits nur noch eine verhältnismäßig seltene Maßnahme sein kann und andererseits nicht ohne belegte Notwendigkeit und überprüften Erfolg angewendet werden sollte. Und dies hat nun endlich auch im Regelwerk seinen Niederschlag gefunden. Allerdings weiterhin mit einem Schönheitsfehler, wenn man sich den im Arbeitsblatt W 557 wieder einmal, nach meinem Verständnis, gescheiterten Versuch einer Definitionsfindung anschaut. Auch hier wurden bedauerlicherweise wieder die bereits erwähnten Werte von 3 Minuten und 70 °C aus dem alten Arbeitsblatt W 551 übernommen; zwar um eine Begrifflichkeit geändert, nämlich statt „mindestens“ wurden die Wörtchen „länger als“ verwendet, was allerdings als akademischer Krümelkram gelten sollte.
Es bleibt aus meiner Sicht der Versuch ein Ärgernis, die thermische Desinfektion nach wie vor mit Hilfe zweier fest geschriebener Parameter definieren zu wollen. Das hinterlässt beim Laien die Vorstellung, man müsse nur dreieinhalb Minuten warmes Wasser mit einer Temperatur von 71 °C durch die Leitungen laufen lassen, und schon hätte man selbige desinfiziert.
Desinfektion ist das Ergebnis der Handlung!
Stattdessen sollte man sich beispielhaft an dem Geist der Desinfektionsdefinition der Mikrobiologen orientieren, wonach eine solche nicht irgendeine Handlung mit definierten Parametern ist, sondern das Ergebnis einer Handlung. Bezogen auf Legionella pneumophila ist dieses nachzuweisende Ergebnis nämlich ein Abtötungsverhältnis von 5 log. Stufen. Da die Bakterien aber, wie wir seit Langem wissen, in Abhängigkeit ihres bisherigen „Lebenslaufes“ unterschiedliche Resistenzen entwickeln können, wäre es doch nahezu absurd, ein Bakterium, welches eine 80 °C heiße Resistenz entwickelt hat, mit 71 °C heißem Wasser „belästigen“ und das Ganze obendrein noch Desinfektion nennen zu wollen.